Emilia Theye ist Mitgründerin und CEO vom Berliner Mental Health Startup “clare&me”. Wir sprechen mit ihr am Start Summit in St.Gallen über den KI-Einsatz im Gesundheitsbereich sowie über die Herausforderungen und Erfolge der Gründerin.
Du hast Psychologie studiert: Was hat dich vom klassischen Karriereweg abgebracht, um stattdessen ein Mental Health Startup aufzubauen?
Ich habe in psychologischen Kliniken und in Patient:innengesprächen sehr oft von Angst-Symptomen erfahren. Die Betroffenen wollen meist nicht mit anderen Menschen darüber sprechen, wollen sich nicht öffnen oder haben davor auch Angst. Dann kam dazu, dass sich meine Karriere mehr und mehr in die Businessrichtung entwickelte, wo ich viele Marken mitaufgebaut und auch mit Startups gearbeitet hatte. Zu der Zeit wusste ich, dass einerseits Mental Health eine der grössten Krisen ist, andererseits, dass ich ein Startup gründen möchte. Die Idee für das Startup hat sich bereits in meinen Kopf eingepflanzt: Eine technologische Lösung für den Umgang mit Ängsten.
Wie bist du vorgegangen, um die Startup-Idee anzugehen?
Ich zog nach Berlin, weil das Startup-Ökosystem dort am grössten ist. Das sollte mir in vielerlei Hinsicht helfen, denn ich wollte nicht bootstrappen und hatte noch kein Investorennetzwerk. Das sprach für Berlin, denn dort sind die meisten Investoren. Ausserdem wollte ich nicht alleine gründen und die Co-Founder-Suche ist einfacher an Orten, wo viele Menschen gründen wollen – wie eben in Berlin. Ich hatte dann tatsächlich sehr schnell meine Mitgründerin dort kennengelernt. Sie hat den technologischen Background zu meinem psychologischen Background gebracht.
Wie kann man sich eure Kombination von Technologie und Psychologie vorstellen?
clare&me ist eine Softwareanwendung, bei der man mit «Clare» als Vertrauensperson über WhatsApp und Telefonanrufe spricht. Clare ist eine Künstliche Intelligenz und antwortet somit basierend auf breitem Wissen sowie dem, was in vorherigen Gesprächen bereits erzählt wurde. So kann sie bis zu 30-minütige Telefongespräche führen. Fun Fact: Clare’s Stimme kommt von mir.
Wieso setzt ihr KI ein, statt echte Psychotherapeut:innen mit den Betroffenen zu verbinden?
Es gibt viele Betroffene, die nicht mit Menschen über ihre Ängste sprechen wollen. Ein Chatbot mit künstlicher Intelligenz ist anonymer, um Probleme anzuvertrauen und trotzdem menschlich genug, weil er auf einen eingeht. Das Resultat: 100% der Nutzer von clare&me Antworten auf die Voice Messages von «Clare».
Mit der Integration in WhatsApp senkt ihr auch die Hürde und die Schamgefühle. Wie kamt ihr auf diese gute Idee?
Ehrlicherweise hat sich dies im Prozess so ergeben. Die Entwicklung der App ging uns zu langsam, weshalb wir erst einmal das Onboarding über WhatsApp gemacht haben. In Feedbacks stellte sich heraus, dass unsere User diese Option bevorzugten. Denn auf diesem Weg fühlt sich die Beziehung zu Clare persönlicher und nahbahrer an. Es ist so niedrigschwellig, wie wenn man mit einem Freund oder einer Freundin bei WhatsApp schreibt. Zum Glück waren wir also ungeduldig!
Wie könnt ihr bei der Anwendung via WhatsApp Kontrolle über den Datenschutz behalten?
Da gibt es zwei Ansätze. Einerseits sind wir transparent mit dem, was wir machen. Das heisst, Nutzer, die sich damit nicht wohlfühlen, kommen nicht auf uns zu. Andererseits sind wir uns natürlich darüber im Klaren, dass es sich um sensible Daten handelt und wir tun alles uns Mögliche, um diese zu schützen. Dazu gehört die Nutzung von speziellen Health-Datenbanken, die Anonymisierung der Daten und die Garantie, dass wir keine Daten an Lebensversicherungen und dergleichen verkaufen
Du hattest vorhin erwähnt, dass «Clare» bis zu 30-minütige Telefongespräche führen kann. Wie werden diese Gespräche technologisch generiert?
Wir nutzen Modelle von GPT3 und 4, bauen aber auch eigene KI. Für die Gesprächsinhalte von schwierigen Themen haben wir mit Psycholog:innen und Therapeut:innen am Gesprächsdesign erarbeitet. Wir haben dazu viele Szenarien durchdacht, basierend auf Verhaltenstherapie Übungen für die Nutzer:innen gesammelt und versucht Antwortoptionen vorherzusehen, die «Clare» als Skript dienen. Es gibt aber auch Situationen in denen “Clare” eigene daten-basierte Sätze generiert, die nie eine menschliche Hand generiert hat. Da orientiert sich die KI an grossen Entscheidungsbäumen.
Was sind die häufigsten Probleme, bei denen Clare um Hilfe gebeten wird?
Häufig sind es Themen, die gross für einen selbst sind, aber gefühlt zu klein, um deswegen zur Therapie zu gehen. Konkret können das Schlafprobleme, Einsamkeit, Ängste oder Selbstbewusstseinsprobleme sein. Diese Themen sind auch oft schambehaftet, wo Clare sehr gelegen kommt. Clare ist anonym und zu jeder Zeit an jedem Ort für einen da.
Gibt es Themen, bei denen Clare nicht weiterhelfen kann?
Das gibt es. Denn clare&me ist kein Medizinprodukt. Wir sind für Betroffene da, die noch keine Diagnose haben und es ist auch nicht unser Ziel, diese zu stellen. Wenn es zum Beispiel um Suizid geht, gibt es sogenannte Eskalationsschritte, denen die Technologie folgt, so dass die Person an die richtige Hilfestelle weitergeleitet wird.
Nun zu dir: Inwiefern hast du dich verändert auf deinem Weg von der Psychologin zur Unternehmerin?
Die ganze entrepreneurial journey macht mir unfassbar viel Spass. Ich bin in vielen Situationen über mich selbst hinausgewachsen, denn ich werde ständig herausgefordert und hinterfragt. Beispielsweise in verschiedenen Ländern von Investoren.
Mein Team besteht mittlerweile aus 14 Personen. So viele Leute zu führen ist ebenfalls neu für mich. Da wird man auch ständig hinterfragt. Einerseits als Frau im Tech-Bereich, andererseits als junge Person von zwar jetzt 30 Jahren.
Ebenfalls musste ich lernen, die richtige Balance zu finden zwischen Arbeit und Freizeit. Anfangs hatte ich extrem viel gearbeitet. Jetzt frage, ich mich regelmässig, was mir im Leben wichtig ist: Impact haben, anderen helfen, persönlich zu wachsen. Ich habe mir noch nie so viele Lebensfragen gestellt, wie seit der Gründung meines Startups.
Welchen Rat würdest du anderen Gründerinnen und Gründern geben?
Mach etwas, das dir so viel Spass macht, dass du dich jeden Tag fürs Thema begeistern kannst. Such dir die richtigen Leute: Von Co-Founder, Mitarbeiter und Advisor bis hin zu den Investoren sollten alle offen reden, Erfolge sowie Misserfolge teilen und auch in schwierigen Zeiten unterstützen können.
Würdest du weiblichen angehenden Founders einen anderen Tipp geben als den männlichen?
Viele Frauen sagen, sie passen nicht in das Profil einer Gründerin, denken, sie seien nicht der Typ dafür. Denen sagen wir oft: Hinterfrag nicht dich selbst sondern das Bild, das du von einem klassischen Gründer hast. Versuch authentisch zu sein und dich nicht zu sehr dem männlichen Bild anzupassen. Du bist nicht zu bold, zu stark, zu viel. Sondern genau richtig.
Emilia Theye ist Mitgründerin und CEO vom Berliner Mental Health Startup “clare&me”. Wir sprechen mit ihr am Start Summit in St.Gallen über den KI-Einsatz im Gesundheitsbereich sowie über die Herausforderungen und Erfolge der Gründerin.
Du hast Psychologie studiert: Was hat dich vom klassischen Karriereweg abgebracht, um stattdessen ein Mental Health Startup aufzubauen?
Ich habe in psychologischen Kliniken und in Patient:innengesprächen sehr oft von Angst-Symptomen erfahren. Die Betroffenen wollen meist nicht mit anderen Menschen darüber sprechen, wollen sich nicht öffnen oder haben davor auch Angst. Dann kam dazu, dass sich meine Karriere mehr und mehr in die Businessrichtung entwickelte, wo ich viele Marken mitaufgebaut und auch mit Startups gearbeitet hatte. Zu der Zeit wusste ich, dass einerseits Mental Health eine der grössten Krisen ist, andererseits, dass ich ein Startup gründen möchte. Die Idee für das Startup hat sich bereits in meinen Kopf eingepflanzt: Eine technologische Lösung für den Umgang mit Ängsten.
Wie bist du vorgegangen, um die Startup-Idee anzugehen?
Ich zog nach Berlin, weil das Startup-Ökosystem dort am grössten ist. Das sollte mir in vielerlei Hinsicht helfen, denn ich wollte nicht bootstrappen und hatte noch kein Investorennetzwerk. Das sprach für Berlin, denn dort sind die meisten Investoren. Ausserdem wollte ich nicht alleine gründen und die Co-Founder-Suche ist einfacher an Orten, wo viele Menschen gründen wollen – wie eben in Berlin. Ich hatte dann tatsächlich sehr schnell meine Mitgründerin dort kennengelernt. Sie hat den technologischen Background zu meinem psychologischen Background gebracht.
Wie kann man sich eure Kombination von Technologie und Psychologie vorstellen?
clare&me ist eine Softwareanwendung, bei der man mit «Clare» als Vertrauensperson über WhatsApp und Telefonanrufe spricht. Clare ist eine Künstliche Intelligenz und antwortet somit basierend auf breitem Wissen sowie dem, was in vorherigen Gesprächen bereits erzählt wurde. So kann sie bis zu 30-minütige Telefongespräche führen. Fun Fact: Clare’s Stimme kommt von mir.
Wieso setzt ihr KI ein, statt echte Psychotherapeut:innen mit den Betroffenen zu verbinden?
Es gibt viele Betroffene, die nicht mit Menschen über ihre Ängste sprechen wollen. Ein Chatbot mit künstlicher Intelligenz ist anonymer, um Probleme anzuvertrauen und trotzdem menschlich genug, weil er auf einen eingeht. Das Resultat: 100% der Nutzer von clare&me Antworten auf die Voice Messages von «Clare».
Mit der Integration in WhatsApp senkt ihr auch die Hürde und die Schamgefühle. Wie kamt ihr auf diese gute Idee?
Ehrlicherweise hat sich dies im Prozess so ergeben. Die Entwicklung der App ging uns zu langsam, weshalb wir erst einmal das Onboarding über WhatsApp gemacht haben. In Feedbacks stellte sich heraus, dass unsere User diese Option bevorzugten. Denn auf diesem Weg fühlt sich die Beziehung zu Clare persönlicher und nahbahrer an. Es ist so niedrigschwellig, wie wenn man mit einem Freund oder einer Freundin bei WhatsApp schreibt. Zum Glück waren wir also ungeduldig!
Wie könnt ihr bei der Anwendung via WhatsApp Kontrolle über den Datenschutz behalten?
Da gibt es zwei Ansätze. Einerseits sind wir transparent mit dem, was wir machen. Das heisst, Nutzer, die sich damit nicht wohlfühlen, kommen nicht auf uns zu. Andererseits sind wir uns natürlich darüber im Klaren, dass es sich um sensible Daten handelt und wir tun alles uns Mögliche, um diese zu schützen. Dazu gehört die Nutzung von speziellen Health-Datenbanken, die Anonymisierung der Daten und die Garantie, dass wir keine Daten an Lebensversicherungen und dergleichen verkaufen
Du hattest vorhin erwähnt, dass «Clare» bis zu 30-minütige Telefongespräche führen kann. Wie werden diese Gespräche technologisch generiert?
Wir nutzen Modelle von GPT3 und 4, bauen aber auch eigene KI. Für die Gesprächsinhalte von schwierigen Themen haben wir mit Psycholog:innen und Therapeut:innen am Gesprächsdesign erarbeitet. Wir haben dazu viele Szenarien durchdacht, basierend auf Verhaltenstherapie Übungen für die Nutzer:innen gesammelt und versucht Antwortoptionen vorherzusehen, die «Clare» als Skript dienen. Es gibt aber auch Situationen in denen “Clare” eigene daten-basierte Sätze generiert, die nie eine menschliche Hand generiert hat. Da orientiert sich die KI an grossen Entscheidungsbäumen.
Was sind die häufigsten Probleme, bei denen Clare um Hilfe gebeten wird?
Häufig sind es Themen, die gross für einen selbst sind, aber gefühlt zu klein, um deswegen zur Therapie zu gehen. Konkret können das Schlafprobleme, Einsamkeit, Ängste oder Selbstbewusstseinsprobleme sein. Diese Themen sind auch oft schambehaftet, wo Clare sehr gelegen kommt. Clare ist anonym und zu jeder Zeit an jedem Ort für einen da.
Gibt es Themen, bei denen Clare nicht weiterhelfen kann?
Das gibt es. Denn clare&me ist kein Medizinprodukt. Wir sind für Betroffene da, die noch keine Diagnose haben und es ist auch nicht unser Ziel, diese zu stellen. Wenn es zum Beispiel um Suizid geht, gibt es sogenannte Eskalationsschritte, denen die Technologie folgt, so dass die Person an die richtige Hilfestelle weitergeleitet wird.
Nun zu dir: Inwiefern hast du dich verändert auf deinem Weg von der Psychologin zur Unternehmerin?
Die ganze entrepreneurial journey macht mir unfassbar viel Spass. Ich bin in vielen Situationen über mich selbst hinausgewachsen, denn ich werde ständig herausgefordert und hinterfragt. Beispielsweise in verschiedenen Ländern von Investoren.
Mein Team besteht mittlerweile aus 14 Personen. So viele Leute zu führen ist ebenfalls neu für mich. Da wird man auch ständig hinterfragt. Einerseits als Frau im Tech-Bereich, andererseits als junge Person von zwar jetzt 30 Jahren.
Ebenfalls musste ich lernen, die richtige Balance zu finden zwischen Arbeit und Freizeit. Anfangs hatte ich extrem viel gearbeitet. Jetzt frage, ich mich regelmässig, was mir im Leben wichtig ist: Impact haben, anderen helfen, persönlich zu wachsen. Ich habe mir noch nie so viele Lebensfragen gestellt, wie seit der Gründung meines Startups.
Welchen Rat würdest du anderen Gründerinnen und Gründern geben?
Mach etwas, das dir so viel Spass macht, dass du dich jeden Tag fürs Thema begeistern kannst. Such dir die richtigen Leute: Von Co-Founder, Mitarbeiter und Advisor bis hin zu den Investoren sollten alle offen reden, Erfolge sowie Misserfolge teilen und auch in schwierigen Zeiten unterstützen können.
Würdest du weiblichen angehenden Founders einen anderen Tipp geben als den männlichen?
Viele Frauen sagen, sie passen nicht in das Profil einer Gründerin, denken, sie seien nicht der Typ dafür. Denen sagen wir oft: Hinterfrag nicht dich selbst sondern das Bild, das du von einem klassischen Gründer hast. Versuch authentisch zu sein und dich nicht zu sehr dem männlichen Bild anzupassen. Du bist nicht zu bold, zu stark, zu viel. Sondern genau richtig.