Bestsmile ist es gelungen, Zahnspangen zu einem Brand zu machen und in wenigen Monaten Marktführer in der Schweiz zu werden. Mitgründer und CEO Ertan Wittwer über Geschwindigkeit, junge Angestellte und den Aufbau eines Brands.

Ihr hattet eine lange Phase, in der fast jeden Monat eine neue Filiale eröffnet wurde und wöchentlich neue Mitarbeitende dazu kamen. Wie wichtig ist diese Geschwindigkeit gewesen?

Ertan: Bei Startups geht es immer um Geschwindigkeit. Man muss schnelle Entscheidungen treffen. So schnell, dass es einen gewissen Kontrollverlust gibt. Dann kann nicht alles von Anfang an perfekt sein, man macht Fehler, lernt aber auch sehr schnell aus ihnen.

Ihr habt Fehler gemacht und seid trotzdem erfolgreich geworden. Wie hat sich das entwickelt?

Es ist wirklich so: Man hat neun Mal Misserfolg, bevor man ein Mal Erfolg hat. Wir hatten anfangs viele Reklamationen. In dieser Phase hatte ich sogar mal ans Aufhören gedacht. Dass wir am «tiefsten Punkt» durchgehalten haben, war aber sehr wichtig, denn mit den qualitativen Veränderungen hatten wir die Probleme gelöst.

Warum ist bestsmile so erfolgreich geworden?

Da haben sehr viele verschiedene Faktoren zusammengespielt. Einerseits war der Zeitpunkt einfach perfekt, um in der Schweiz Zahnkorrekturen mit Alignern zu lancieren, nachdem einige wichtige Patente ausgelaufen sind und in den USA das Geschäft mit den Alignern bewiesen hat, dass es gut läuft. Alle weiteren Erfolgsfaktoren sind mit viel Fleiss und ultraharter Arbeit verbunden. Das heisst auch, dass man von Anfang an die richtigen Leute vom Vorhaben überzeugen können muss, denn alleine geht es einfach nicht. Das ganze Team inklusive Investoren müssen erfolgreich sein und dafür Vollgas geben wollen.

Du hast bei bestsmile sehr viele sehr junge Personen eingestellt, teils auch für sehr verantwortungsvolle Positionen. Mit welcher Überzeugung machst du das?

Ich glaube fest daran, dass junge Personen sehr formbar und nicht von vorherigen Arbeitserfahrungen «vorbelastet» sind. In meiner Erfahrung sind diese jungen Leute hochmotiviert, sie lernen schnell und passen sich agil neuen Situationen und Herausforderungen an – und zudem sind sie auch noch günstiger. Viele Praktikantinnen und Mitarbeitende, die in Junior-Positionen angefangen haben, sind nun mit sehr jungem Alter bereits Departement Lead oder im Management. Auf diesem Weg sind circa 70 Prozent aller Führungspersonen in ihre Positionen hineingewachsen, nur etwa 30 Prozent der Führungsjobs haben wir mit erfahrenen Personen direkt besetzt.

Wenn du jemanden anstellst, der aus einem Grosskonzern kommt, was muss die Person als erstes lernen, um im Startup-Setting klarzukommen?

Lockerheit und Geschwindigkeit. In einem Startup müssen alle «nach vorne rennen», Startups müssen skalieren. Dazu muss jede Woche etwas passieren. Hätten wir uns am Anfang mit dem Aufbau von internen Spesenprozessen aufhalten lassen, hätten wir nicht jede Woche neue Jobs ausschreiben können.

Euch ist es gelungen, mit bestsmile von Null auf einen Brand aufzubauen. Wie macht man das?

Wenn du einen grossen Brand aufbauen willst, musst du dich auch wie ein grosser Brand verhalten – und zwar schon früh. Wir haben zum Beispiel mit der Mona-Lisa-Kampagne genau das gemacht und ein Kampagnen-Plakat am Bellevue platziert, so wie es sonst fast nur grosse Brands machen. Das kostete zwar viel Geld, aber der Brand wurde dadurch stärker und cooler. Man kauft heutzutage einfach lieber bei einer «coolen Firma». Frech sein und mutig investieren lohnen sich.

Übrigens ist die Mona-Lisa-Kampagne ein gutes Beispiel, bei dem eine Praktikantin mitgearbeitet hat. Es war Sommer, viele Mitarbeitende waren im Urlaub und es ist kurzfristig Budget freigeworden. Also habe ich mit der Grafik-Praktikantin so schnell wie möglich eine Kampagne entwickelt. Die Kampagne sollte jemanden zum Lächeln bringen, der sonst nicht lacht. Da kam uns Mona Lisa in den Sinn.

Was ist das Wichtigste, das man tun muss, wenn man eine Idee für ein Startup hat und heute starten möchte?

Dass man überhaupt startet. Ich denke 99 Prozent der Leute scheitern bereits bei diesem ersten Schritt. Ich habe schon so viele Ausreden gehört, weshalb die Situation oder der Zeitpunkt nicht «richtig» sei und sie «lieber noch etwas warten». Vielleicht haben sie gerade ein spannendes Projekt beim Arbeitgeber und wollen dieses noch fertig machen, vielleicht stehen sie kurz vor einer Familiengründung oder sie haben Angst, dass es im Lebenslauf schlecht aussieht, wenn sie für ein eigenes Startup eine Pause in ihrer Corporate-Karriere haben. Alle diese genannten Gründe sind meiner Meinung nach schlecht. Ein spannenderes Projekt als ein Startup gibt es wohl nicht. Viele erfolgreiche Unternehmer – und ich übrigens auch – haben im gleichen Zeitraum ein Unternehmen und eine Familie gegründet. Und der Lebenslauf wird durch eine Startup-Phase, egal ob es ein Erfolg wird oder nicht, definitiv aufgewertet. Alle diese Punkte zeigen, dass man etwas wagt.

Oder ist der Karriereweg «Startup gründen» vielleicht einfach nicht attraktiv genug?

Ich denke, uns geht es in der Schweiz tatsächlich wirtschaftlich fast zu gut. Wir müssen nicht innovativ sein, die Extrameile gehen oder ein Familienbusiness aufbauen, um einen guten Job zu haben oder überhaupt Essen auf den Tisch zu kriegen. Ausserdem fehlt es uns Schweizern an Mut. Wir haben viel zu viel Angst vor dem Scheitern.

Was muss in Zürich oder der Schweiz passieren, damit wir ein Startup-Ökosystem haben wie beispielsweise Berlin?

Ich habe eine Zeit lang in Berlin gelebt und kann sagen: Dort sind die Rahmenbedingungen für Startup-Gründer ganz anders. Büromieten sind sehr günstig und auch die Kos-
ten für den Lebensunterhalt sind tief. Das hat Leute aus ganz Europa angelockt, um dort zu gründen. In Deutschland bekommen Startups Zuschüsse vom Staat, die man nicht zurückzahlen muss, weil sie wissen, dass Startups die zukünftig grossen Steuerzahler und Arbeitgeber werden. In Zürich und der Schweiz müsste es demnach mehr bezahlbare Büros für Startups geben und beispielsweise steuertechnische Vorteile für Startups.

Wenn du bei einem anderen Startup hättest Mitgründer sein können, bei welchem wärst du gerne dabei gewesen?

On Running. Denn sie haben in der Schweiz einen weltweit agierenden Brand aufgebaut.

Angenommen, du verkaufst bestsmile für sehr viel Geld. Bleibst du weiterhin Gründer oder wirst du Startup-Investor?

Ich denke, ich bin noch jung genug, um noch einmal zu gründen. Ich möchte aber auch unbedingt bis zur Hälfte meines Vermögens in Startups investieren. Denn ich weiss, wie wichtig es für Startups ist, an die nötige Finanzierung zu kommen.

Alyssia Kugler

"Interviews mit Startups zu führen, ermöglicht es mir unserer Leserschaft Inspiration, Erfahrungswerte und authentische Einblicke ins Gründerleben und den Unternehmensaufbau zu geben."

"Interviews mit Startups zu führen, ermöglicht es mir unserer Leserschaft Inspiration, Erfahrungswerte und authentische Einblicke ins Gründerleben und den Unternehmensaufbau zu geben."
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Bestsmile ist es gelungen, Zahnspangen zu einem Brand zu machen und in wenigen Monaten Marktführer in der Schweiz zu werden. Mitgründer und CEO Ertan Wittwer über Geschwindigkeit, junge Angestellte und den Aufbau eines Brands.

Ihr hattet eine lange Phase, in der fast jeden Monat eine neue Filiale eröffnet wurde und wöchentlich neue Mitarbeitende dazu kamen. Wie wichtig ist diese Geschwindigkeit gewesen?

Ertan: Bei Startups geht es immer um Geschwindigkeit. Man muss schnelle Entscheidungen treffen. So schnell, dass es einen gewissen Kontrollverlust gibt. Dann kann nicht alles von Anfang an perfekt sein, man macht Fehler, lernt aber auch sehr schnell aus ihnen.

Ihr habt Fehler gemacht und seid trotzdem erfolgreich geworden. Wie hat sich das entwickelt?

Es ist wirklich so: Man hat neun Mal Misserfolg, bevor man ein Mal Erfolg hat. Wir hatten anfangs viele Reklamationen. In dieser Phase hatte ich sogar mal ans Aufhören gedacht. Dass wir am «tiefsten Punkt» durchgehalten haben, war aber sehr wichtig, denn mit den qualitativen Veränderungen hatten wir die Probleme gelöst.

Warum ist bestsmile so erfolgreich geworden?

Da haben sehr viele verschiedene Faktoren zusammengespielt. Einerseits war der Zeitpunkt einfach perfekt, um in der Schweiz Zahnkorrekturen mit Alignern zu lancieren, nachdem einige wichtige Patente ausgelaufen sind und in den USA das Geschäft mit den Alignern bewiesen hat, dass es gut läuft. Alle weiteren Erfolgsfaktoren sind mit viel Fleiss und ultraharter Arbeit verbunden. Das heisst auch, dass man von Anfang an die richtigen Leute vom Vorhaben überzeugen können muss, denn alleine geht es einfach nicht. Das ganze Team inklusive Investoren müssen erfolgreich sein und dafür Vollgas geben wollen.

Du hast bei bestsmile sehr viele sehr junge Personen eingestellt, teils auch für sehr verantwortungsvolle Positionen. Mit welcher Überzeugung machst du das?

Ich glaube fest daran, dass junge Personen sehr formbar und nicht von vorherigen Arbeitserfahrungen «vorbelastet» sind. In meiner Erfahrung sind diese jungen Leute hochmotiviert, sie lernen schnell und passen sich agil neuen Situationen und Herausforderungen an – und zudem sind sie auch noch günstiger. Viele Praktikantinnen und Mitarbeitende, die in Junior-Positionen angefangen haben, sind nun mit sehr jungem Alter bereits Departement Lead oder im Management. Auf diesem Weg sind circa 70 Prozent aller Führungspersonen in ihre Positionen hineingewachsen, nur etwa 30 Prozent der Führungsjobs haben wir mit erfahrenen Personen direkt besetzt.

Wenn du jemanden anstellst, der aus einem Grosskonzern kommt, was muss die Person als erstes lernen, um im Startup-Setting klarzukommen?

Lockerheit und Geschwindigkeit. In einem Startup müssen alle «nach vorne rennen», Startups müssen skalieren. Dazu muss jede Woche etwas passieren. Hätten wir uns am Anfang mit dem Aufbau von internen Spesenprozessen aufhalten lassen, hätten wir nicht jede Woche neue Jobs ausschreiben können.

Euch ist es gelungen, mit bestsmile von Null auf einen Brand aufzubauen. Wie macht man das?

Wenn du einen grossen Brand aufbauen willst, musst du dich auch wie ein grosser Brand verhalten – und zwar schon früh. Wir haben zum Beispiel mit der Mona-Lisa-Kampagne genau das gemacht und ein Kampagnen-Plakat am Bellevue platziert, so wie es sonst fast nur grosse Brands machen. Das kostete zwar viel Geld, aber der Brand wurde dadurch stärker und cooler. Man kauft heutzutage einfach lieber bei einer «coolen Firma». Frech sein und mutig investieren lohnen sich.

Übrigens ist die Mona-Lisa-Kampagne ein gutes Beispiel, bei dem eine Praktikantin mitgearbeitet hat. Es war Sommer, viele Mitarbeitende waren im Urlaub und es ist kurzfristig Budget freigeworden. Also habe ich mit der Grafik-Praktikantin so schnell wie möglich eine Kampagne entwickelt. Die Kampagne sollte jemanden zum Lächeln bringen, der sonst nicht lacht. Da kam uns Mona Lisa in den Sinn.

Was ist das Wichtigste, das man tun muss, wenn man eine Idee für ein Startup hat und heute starten möchte?

Dass man überhaupt startet. Ich denke 99 Prozent der Leute scheitern bereits bei diesem ersten Schritt. Ich habe schon so viele Ausreden gehört, weshalb die Situation oder der Zeitpunkt nicht «richtig» sei und sie «lieber noch etwas warten». Vielleicht haben sie gerade ein spannendes Projekt beim Arbeitgeber und wollen dieses noch fertig machen, vielleicht stehen sie kurz vor einer Familiengründung oder sie haben Angst, dass es im Lebenslauf schlecht aussieht, wenn sie für ein eigenes Startup eine Pause in ihrer Corporate-Karriere haben. Alle diese genannten Gründe sind meiner Meinung nach schlecht. Ein spannenderes Projekt als ein Startup gibt es wohl nicht. Viele erfolgreiche Unternehmer – und ich übrigens auch – haben im gleichen Zeitraum ein Unternehmen und eine Familie gegründet. Und der Lebenslauf wird durch eine Startup-Phase, egal ob es ein Erfolg wird oder nicht, definitiv aufgewertet. Alle diese Punkte zeigen, dass man etwas wagt.

Oder ist der Karriereweg «Startup gründen» vielleicht einfach nicht attraktiv genug?

Ich denke, uns geht es in der Schweiz tatsächlich wirtschaftlich fast zu gut. Wir müssen nicht innovativ sein, die Extrameile gehen oder ein Familienbusiness aufbauen, um einen guten Job zu haben oder überhaupt Essen auf den Tisch zu kriegen. Ausserdem fehlt es uns Schweizern an Mut. Wir haben viel zu viel Angst vor dem Scheitern.

Was muss in Zürich oder der Schweiz passieren, damit wir ein Startup-Ökosystem haben wie beispielsweise Berlin?

Ich habe eine Zeit lang in Berlin gelebt und kann sagen: Dort sind die Rahmenbedingungen für Startup-Gründer ganz anders. Büromieten sind sehr günstig und auch die Kos-
ten für den Lebensunterhalt sind tief. Das hat Leute aus ganz Europa angelockt, um dort zu gründen. In Deutschland bekommen Startups Zuschüsse vom Staat, die man nicht zurückzahlen muss, weil sie wissen, dass Startups die zukünftig grossen Steuerzahler und Arbeitgeber werden. In Zürich und der Schweiz müsste es demnach mehr bezahlbare Büros für Startups geben und beispielsweise steuertechnische Vorteile für Startups.

Wenn du bei einem anderen Startup hättest Mitgründer sein können, bei welchem wärst du gerne dabei gewesen?

On Running. Denn sie haben in der Schweiz einen weltweit agierenden Brand aufgebaut.

Angenommen, du verkaufst bestsmile für sehr viel Geld. Bleibst du weiterhin Gründer oder wirst du Startup-Investor?

Ich denke, ich bin noch jung genug, um noch einmal zu gründen. Ich möchte aber auch unbedingt bis zur Hälfte meines Vermögens in Startups investieren. Denn ich weiss, wie wichtig es für Startups ist, an die nötige Finanzierung zu kommen.

Alyssia Kugler

"Interviews mit Startups zu führen, ermöglicht es mir unserer Leserschaft Inspiration, Erfahrungswerte und authentische Einblicke ins Gründerleben und den Unternehmensaufbau zu geben."

Alyssia Kugler

"Interviews mit Startups zu führen, ermöglicht es mir unserer Leserschaft Inspiration, Erfahrungswerte und authentische Einblicke ins Gründerleben und den Unternehmensaufbau zu geben."