Nationalrätin Judith Bellaiche (GLP) ist Co-Initiatorin der parlamentarischen Gruppe Startups und Unternehmertum. Sie will, dass das Parlament Startups besser versteht – und dass Startups nicht nur jammern, sondern auch mithelfen.
Wie gut oder schlecht sind die Rahmenbedingungen für Startups heute?
Einerseits muss ich sagen, dass die Rahmenbedingungen nicht allzu schlecht sind. Es gab definitiv in den letzten Jahren einen Professionalitätssprung unter anderem dank Innosuisse und vielen privaten Initiativen. Aber teilweise gibt es immer noch sinnlose Regulierungen. Diese halten Startups davon ab, sich zu entfalten, sind wie ein Korsett. Wenigstens das Sinnlose müssen wir vereinfachen.
Können Sie ein Beispiel für etwas «Sinnloses» geben, das politisch verbessert werden kann?
Eines der grössten Probleme von Startups ist es, die richtigen Mitarbeitenden zu finden. Zu einem Teil, weil Startups nicht gleich hohe Löhne zahlen können wie Grossunternehmen. Vor allem aber, weil neue Ideen und neue Geschäftsmodelle neue Berufsbilder generieren. In hochinnovativen Startups wird oftmals Wissen benötigt, das es weltweit erst, sagen wir, zehn Mal gibt. Trotzdem müssen Startups nach Schweizer Recht zuerst die Stelle in der Schweiz während drei Monaten ausschreiben. Das ergibt in solchen Fällen keinen Sinn.
Was hält die Schweiz davon ab, diese konkrete Situation zu ändern?
Wir arbeiten gerne mit Dingen, die wir kennen, mit Bewährtem. So ist die Schweiz. Wenn plötzlich alles auf den Kopf gestellt wird, fühlen sich viele Leute in der Politik nicht mehr so wohl. Es erzeugt Ängste, um es direkt zu sagen. Angst vor Überfremdung, Angst, dass uns ausländische Leute Jobs wegnehmen, Angst, dass unsere Berufsbilder und Lehrgänge nicht mehr stimmen. Und statt diesen Wandel zu begrüssen und voranzutreiben, wird er blockiert.
Gegenüber der Handelszeitung sagten Sie, dass sich viele Politiker gerne mit dem Thema Startups rühmen, von Startups begeistert sind…
Ja, wenn es konkret wird, halten sie aber leider oft an alten Konventionen fest.
Wieso ist die aktive Unterstützung von Startups im Allgemeinen noch relativ zaghaft?
Es fehlt den Parlamentariern und Parlamentarierinnen das Verständnis dafür, wie ein Startup funktioniert, wie es entsteht, was es braucht, wie es sich finanziert, wie es im internationalen Kontext wächst und so weiter. In der Schweiz haben wir vor allem ein gutes Verständnis für KMU und Grossunternehmen. Startups hingegen sind noch neu für die meisten Parlamentarier und Parlamentarierinnen. Das Schöne ist aber, dass das Thema Startups nicht an eine Partei gebunden ist. Das zeigt sich auch an der Zusammensetzung unserer parlamentarischen Gruppe für Startups und Unternehmertum, bei der sich zwei Parteien zusammengetan haben und in der nun alle Bundeshausfraktionen vertreten sind.
Was tun Sie als Startup-Politikerin, damit das Verständnis für Startups im Bundesparlament besser wird?
Wir planen einen grossen parlamentarischen Anlass in der Herbstsession, bei dem wir Unicorns und Soonicorns (Anm. Redaktion: Unicorns sind Startups, die mit einer Milliarde bewertet werden, Soonicorns sind Startups, die bald Unicorns werden) einladen, damit diese den Parlamentarierinnen und Parlamentariern ihre Journey erklären können. Wie hat sich ihre Idee und das Unternehmen entwickelt? Welchen Problemen sind sie begegnet? Warum leidet ein Startup unter einem bestimmten Umstand oder dass man es politisch nicht berücksichtigt?
Was können Startups sonst noch tun, um Verbesserungen auf politischer Ebene voranzutreiben?
Es ist wichtig, dass Startups nicht nur auf Probleme hinweisen und sich beschweren, sondern auch an den Lösungen mitarbeiten. Mir ist bewusst, dass Startups schnell und agil unterwegs sind, während politische Prozesse langwierig und zermürbend sein können. Es sind zwei komplett unterschiedliche Welten, die es in Einklang zu bringen gilt. Da habe ich ein gewisses Verständnis dafür, dass Startups sich politisch wenig engagieren. Aber es wäre schön, wenn auch Startups sich etwas Zeit reservieren sowie etwas Geduld und Interesse zeigen würden, um sich mit den politischen Prozessen auseinanderzusetzen. Eine zeitschonende Alternative für Startups ist es, Probleme bei Startup-Verbänden wie der Swesa oder der Swiss Startup Association zu melden, damit diese stellvertretend mit der Politik zusammenarbeiten können.
Im Interview mit Swisspreneur haben Sie gesagt: «We need to engender an appetite for risk and success in Switzerland.” Wieso haben wir davon in der Schweiz zu wenig?
In der Schweiz befinden wir uns in einer komfortablen Situation mit hohem Wohlstand, hoher Unternehmensdichte und guten Arbeitsbedingungen. So besteht kaum ein Anreiz, eigene Geschäftsideen zu entwickeln. Als Startup-Gründer verzichtet man schliesslich auf einen guten Lohn, garantierte Ferien und muss ausserdem als Allrounder jedes Problem selbst lösen. Es ist schwierig, Leute zu finden, die das wollen. Jedoch verändert sich dies gerade. Daten zeigen, dass die Anzahl Gründungen und Investoren zunimmt. Damit sind wir auf gutem Weg. Auch wenn wir nicht so schnell sind wie andere Staaten, wir sind auch nicht die Langsamsten. Das ist typisch Schweiz: zuerst ein bisschen umschauen, dann mitziehen.
Der jungen Generation ist die Sinnhaftigkeit der Arbeit zunehmend wichtiger als etwa Lohn oder Prestige der Firma. Sehen Sie darin eine Chance für die Startup-Szene?
Ja, die zunehmende Wichtigkeit von Purpose bei der Arbeit ist definitiv eine riesige Chance für die Startup-Szene! Was auch hilft, sind Junggründer, die zeigen, dass es möglich ist, sein eigenes Unternehmen zu haben, ohne vorher eine klassische Karriere gemacht zu haben.
Über Judith Bellaiche
Nationalrätin Judith Bellaiche (GLP) engagierte sich bereits vor ihrer Wahl ins Bundesparlament politisch für Startups: als Kantonsrätin im Kanton Zürich. Hauptberuflich ist sie Geschäftsführerin bei Swico, dem Verband der Digitalisierer.
Nationalrätin Judith Bellaiche (GLP) ist Co-Initiatorin der parlamentarischen Gruppe Startups und Unternehmertum. Sie will, dass das Parlament Startups besser versteht – und dass Startups nicht nur jammern, sondern auch mithelfen.
Wie gut oder schlecht sind die Rahmenbedingungen für Startups heute?
Einerseits muss ich sagen, dass die Rahmenbedingungen nicht allzu schlecht sind. Es gab definitiv in den letzten Jahren einen Professionalitätssprung unter anderem dank Innosuisse und vielen privaten Initiativen. Aber teilweise gibt es immer noch sinnlose Regulierungen. Diese halten Startups davon ab, sich zu entfalten, sind wie ein Korsett. Wenigstens das Sinnlose müssen wir vereinfachen.
Können Sie ein Beispiel für etwas «Sinnloses» geben, das politisch verbessert werden kann?
Eines der grössten Probleme von Startups ist es, die richtigen Mitarbeitenden zu finden. Zu einem Teil, weil Startups nicht gleich hohe Löhne zahlen können wie Grossunternehmen. Vor allem aber, weil neue Ideen und neue Geschäftsmodelle neue Berufsbilder generieren. In hochinnovativen Startups wird oftmals Wissen benötigt, das es weltweit erst, sagen wir, zehn Mal gibt. Trotzdem müssen Startups nach Schweizer Recht zuerst die Stelle in der Schweiz während drei Monaten ausschreiben. Das ergibt in solchen Fällen keinen Sinn.
Was hält die Schweiz davon ab, diese konkrete Situation zu ändern?
Wir arbeiten gerne mit Dingen, die wir kennen, mit Bewährtem. So ist die Schweiz. Wenn plötzlich alles auf den Kopf gestellt wird, fühlen sich viele Leute in der Politik nicht mehr so wohl. Es erzeugt Ängste, um es direkt zu sagen. Angst vor Überfremdung, Angst, dass uns ausländische Leute Jobs wegnehmen, Angst, dass unsere Berufsbilder und Lehrgänge nicht mehr stimmen. Und statt diesen Wandel zu begrüssen und voranzutreiben, wird er blockiert.
Gegenüber der Handelszeitung sagten Sie, dass sich viele Politiker gerne mit dem Thema Startups rühmen, von Startups begeistert sind…
Ja, wenn es konkret wird, halten sie aber leider oft an alten Konventionen fest.
Wieso ist die aktive Unterstützung von Startups im Allgemeinen noch relativ zaghaft?
Es fehlt den Parlamentariern und Parlamentarierinnen das Verständnis dafür, wie ein Startup funktioniert, wie es entsteht, was es braucht, wie es sich finanziert, wie es im internationalen Kontext wächst und so weiter. In der Schweiz haben wir vor allem ein gutes Verständnis für KMU und Grossunternehmen. Startups hingegen sind noch neu für die meisten Parlamentarier und Parlamentarierinnen. Das Schöne ist aber, dass das Thema Startups nicht an eine Partei gebunden ist. Das zeigt sich auch an der Zusammensetzung unserer parlamentarischen Gruppe für Startups und Unternehmertum, bei der sich zwei Parteien zusammengetan haben und in der nun alle Bundeshausfraktionen vertreten sind.
Was tun Sie als Startup-Politikerin, damit das Verständnis für Startups im Bundesparlament besser wird?
Wir planen einen grossen parlamentarischen Anlass in der Herbstsession, bei dem wir Unicorns und Soonicorns (Anm. Redaktion: Unicorns sind Startups, die mit einer Milliarde bewertet werden, Soonicorns sind Startups, die bald Unicorns werden) einladen, damit diese den Parlamentarierinnen und Parlamentariern ihre Journey erklären können. Wie hat sich ihre Idee und das Unternehmen entwickelt? Welchen Problemen sind sie begegnet? Warum leidet ein Startup unter einem bestimmten Umstand oder dass man es politisch nicht berücksichtigt?
Was können Startups sonst noch tun, um Verbesserungen auf politischer Ebene voranzutreiben?
Es ist wichtig, dass Startups nicht nur auf Probleme hinweisen und sich beschweren, sondern auch an den Lösungen mitarbeiten. Mir ist bewusst, dass Startups schnell und agil unterwegs sind, während politische Prozesse langwierig und zermürbend sein können. Es sind zwei komplett unterschiedliche Welten, die es in Einklang zu bringen gilt. Da habe ich ein gewisses Verständnis dafür, dass Startups sich politisch wenig engagieren. Aber es wäre schön, wenn auch Startups sich etwas Zeit reservieren sowie etwas Geduld und Interesse zeigen würden, um sich mit den politischen Prozessen auseinanderzusetzen. Eine zeitschonende Alternative für Startups ist es, Probleme bei Startup-Verbänden wie der Swesa oder der Swiss Startup Association zu melden, damit diese stellvertretend mit der Politik zusammenarbeiten können.
Im Interview mit Swisspreneur haben Sie gesagt: «We need to engender an appetite for risk and success in Switzerland.” Wieso haben wir davon in der Schweiz zu wenig?
In der Schweiz befinden wir uns in einer komfortablen Situation mit hohem Wohlstand, hoher Unternehmensdichte und guten Arbeitsbedingungen. So besteht kaum ein Anreiz, eigene Geschäftsideen zu entwickeln. Als Startup-Gründer verzichtet man schliesslich auf einen guten Lohn, garantierte Ferien und muss ausserdem als Allrounder jedes Problem selbst lösen. Es ist schwierig, Leute zu finden, die das wollen. Jedoch verändert sich dies gerade. Daten zeigen, dass die Anzahl Gründungen und Investoren zunimmt. Damit sind wir auf gutem Weg. Auch wenn wir nicht so schnell sind wie andere Staaten, wir sind auch nicht die Langsamsten. Das ist typisch Schweiz: zuerst ein bisschen umschauen, dann mitziehen.
Der jungen Generation ist die Sinnhaftigkeit der Arbeit zunehmend wichtiger als etwa Lohn oder Prestige der Firma. Sehen Sie darin eine Chance für die Startup-Szene?
Ja, die zunehmende Wichtigkeit von Purpose bei der Arbeit ist definitiv eine riesige Chance für die Startup-Szene! Was auch hilft, sind Junggründer, die zeigen, dass es möglich ist, sein eigenes Unternehmen zu haben, ohne vorher eine klassische Karriere gemacht zu haben.
Über Judith Bellaiche
Nationalrätin Judith Bellaiche (GLP) engagierte sich bereits vor ihrer Wahl ins Bundesparlament politisch für Startups: als Kantonsrätin im Kanton Zürich. Hauptberuflich ist sie Geschäftsführerin bei Swico, dem Verband der Digitalisierer.