In zwei Jahren hat sich Relai zu einer der grössten Bitcoin-Apps Europas gemausert. Diese rasante Entwicklung prägte auch Mitgründer Julian Liniger. Im Interview sprechen wir mit ihm über die Entwicklung von Relai sowie über seine persönliche Entwicklung.

Ihr habt die erste Version von eurer Bitcoin-Investment-App am «F10 Hackathon» programmiert. Gäbe es Relai ohne den Hackathon nicht?

Ich denke, Relai gäbe es auch ohne die Teilnahme am «F10 Hackathon». Aber der Hack war definitiv ein Katalysator, weil er uns gezwungen hatte, innert 48 Stunden die Idee und das Geschäftsmodell zu konkretisieren, die App zu programmieren sowie eine erste Website und Social-Media-Kanäle zu lancieren. Ausserdem konnten wir dort die Idee vor vielen Leuten präsentieren, was eine gute Übung war. Dass ich dort meinen Mitgründer kennengelernt hatte, machte die Teilnahme besonders wertvoll.

Danach habt ihr an vielen Startup-Wettbewerben teilgenommen. Hat sich das gelohnt?

Ja, am Anfang hilft es sehr, denn jeder Wettbewerb ist eine Möglichkeit, seine Pitch-Präsentation zu üben und im Anschluss zu verbessern. Ausserdem erhält man an jedem Wettbewerb Feedback und Tipps und erweitert zugleich sein Netzwerk. Wichtig ist, dass man die Ratschläge filtert und nicht alles macht, was einem gesagt wird. Denn jeder sagt etwas Anderes. 

Hast du gleich noch weitere Tipps für junge Gründerinnen und Gründer?

Die wichtigsten drei Tipps, die ich mitgeben kann, sind: Erstens, dass man mit seinem Produkt ein Problem löst. Dazu muss man sich so intensiv mit dem Problem auseinandersetzen, dass die Lösung dann unschlagbar gut wird. Zweitens, dass man mit ganz vielen Leuten über die Startup-Idee spricht, und zwar nicht nur mit fachspezifischen Personen, sondern auch mit Familie, Freunden und fachfremden Personen. Drittens, dass man so schnell wie möglich an den Markt geht. Das Endprodukt muss noch nicht fertig oder perfekt sein, aber lass den Markt wissen, dass es dich gibt.

Dein dritter Punkt klingt nach einem Learning von dir selbst. Du hattest ja Angst vor dem Launch und dann lief trotzdem alles super …

Ja, so ist es. Die meisten warten zu lange, bevor sie ihre Idee öffentlich machen. Ich denke, das ist in der Schweiz besonders verankert, weil viele von uns perfektionistisch sind und es peinlich finden, wenn etwas unfertig ist. Aber Reid Hoffmann, der Gründer von LinkedIn, hat da mit seinem ikonischen Spruch völlig recht. Er sagte: «If you are not embarrassed by the first version of your product, you’ve launched too late». Es geht darum, dass man günstig und schnell eine erste Version entwickeln soll, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen, Feedback zu erhalten und die Idee zu validieren. Wenn man dies nicht tut, verliert man viel Zeit und Geld. Schliesslich perfektioniert man ein Produkt, von dem man nicht sicher sein kann, dass es auf dem Markt gut ankommt. 

Die erste Version der Bitcoin-Investment-App von Relai ist an einem Hackathon entwickelt worden. Seither wird sie stets weiterentwickelt. (Foto: Relai)

Bemerkst du diesbezüglich eine Veränderung in der Mentalität von Gründerinnen und Gründern?

Insgesamt steht uns der Perfektionismus weiterhin im Weg. Aber ich merke schon, dass viele versuchen, sich das Mindset aus dem Silicon Valley verstärkt anzunehmen und mutiger zu sein. Wir Schweizer kommen langsam aus dem KMU-Denken raus und ins Startup-Mindset rein. Mittlerweile gibt es viele Schweizer Gründerinnen und Gründer, die gross und international denken oder sogar anstreben, ihr Startup auf ein Unicorn-Level zu bringen. (Anmerkung der Redaktion: Ein Startup auf Unicorn-Level hat eine Unternehmensbewertung von über einer Milliarde Franken.) Meine wichtigste Erkenntnis für Wachstum ist, dass man nicht versuchen sollte, möglichst schnell profitabel zu sein. Anfangs muss man Millionen investieren, um zu wachsen und es mit den Grossen aufnehmen zu können. Dass in den letzten Jahren vermehrt Venture Capital (Anmerkung der Redaktion: Venture Capital ist Riskokapital) in Schweizer Startups investiert wird, sollten wir uns zunutze machen.

Wie verlief denn bei euch das Fundraising?

Die Idee starteten wir zuerst als Hobby. Als wir Vollzeit daran arbeiten wollen, mussten wir Geld aufnehmen, um unsere Jobs künden zu können. Die erste Finanzierungsrunde machten wir im März 2020 mit zwei Business Angels. So kamen wir an 20’000 Franken, mit denen wir drei Monate Vollgas geben konnten. Schnell hatten wir 1000 Nutzer und 100’000 Handelsvolumen. In der nächsten Finanzierungsrunde nahmen wir 300’000 Franken auf, um die Produktentwicklung und das Marketing voranzutreiben. Schliesslich hatten wir mit Redalpine einen Lead-Investor für die Seed-Runde gewonnen. (Anmerkung der Redaktion: Eine Seed-Runde ist die erste grosse Finanzierungsrunde, die noch vor der Wachstumsphase gemacht wird.) Redalpine war für uns ein Trauminvestor, weil sie Expertise im Fintech- und Kryptobereich haben, und zum Beispiel Investor von der erfolgreichsten Neobank Europas N26 waren. Von dieser Erfahrung haben wir uns viel versprochen.

In der Seed-Runde hattet ihr 2,5 Millionen aufgenommen. Plötzlich ein ungewohntes Budget, oder?

Wir waren finanziell immer knapp dran und nach monatelanger Fundraising-Tortur haben die Investoren plötzlich innerhalb von einem Wochenende Nägel mit Köpfen gemacht. Das lief so ab, dass ich an einem Freitagnachmittag nach strategischen Überlegungen gefragt wurde, wofür wir das Geld einsetzen würden. Dies hatte ich über das Wochenende gemacht und am Montag bekam ich bereits das Okay und das Term Sheet für die Unterschrift. Das Kapital war dann auch schnell auf dem Konto. Das war dann schon ungewohnt, plötzlich so viel Geld zur Verfügung zu haben. Doch in den Jahren zuvor lernten wir, mit wenig Geld viel zu erreichen. Damit wollten wir keinesfalls aufhören, bloss weil wir nun ein volles Konto hatten. Denn wenn man viel Geld ineffizient einsetzt, kommt man genauso wenig vorwärts.

Fundraising ist eine der grössten Herausforderungen für Startup-Gründerinnen und -Gründer. Welche Aufgaben waren ebenso herausfordernd?

Man muss stets schneller und besser sein als seine Mitbewerber. Das heisst, dass man sein Produkt schnell und in hoher Qualität weiterentwickeln muss, damit man nicht eingeholt wird. Diese Herausforderung ist neben dem Aufbau eines unschlagbaren Teams eine der grössten.

Wie findet man Mitarbeitende, die so für die Vision brennen wie man selbst als Gründer?

Bei uns sind es drei Aspekte, die dazu beitragen, dass wir ein leidenschaftliches Team haben. Erstens rekrutieren wir global, weil wir der Überzeugung sind, dass gut ausgebildete Leute überall sind. Zweitens investieren wir viel in Branding, um zu zeigen, dass wir ein cooler, attraktiver Arbeitgeber sind, der seine Werte vertritt. Dadurch bekommen wir sogar Blindbewerbungen von Leuten, die für Relai arbeiten möchten, eben weil die Werte und Ziele mit ihren eigenen übereinstimmen. Drittens beteiligen wir alle Mitarbeitenden an der Firma, damit sie «Skin in the game» haben, das heisst, unternehmerisch denken.

In Startups arbeiten Leute, die etwas mitgestalten und am Erfolg partizipieren wollen. Hier die Geschäftsleitung von Relai rund um CEO Julian Liniger. (Foto: Relai)

Wie bist du selbst mit deiner Rolle als CEO zurechtgekommen?

Ich habe mich nie als grosse Führungspersönlichkeit gesehen. Entsprechend war es zu Beginn eine grosse Herausforderung, CEO von einem wachsenden Unternehmen mit wachsendem Team zu sein. Ausserdem muss man als Startup-Gründer ein Allrounder sein, der selbst Hand anlegt. Das ist manchmal schwierig. Man muss sich in viele Themen selbst einarbeiten und später wieder abgeben, um in strategischere Rollen zu wechseln. CEO zu sein bedeutet zudem, dass man viel kommuniziert mit wichtigen Stakeholdern und die Firma nach aussen vertritt. Ich denke nicht, dass man in einem anderen Job eine solch steile Lernkurve haben kann wie als Startup-CEO. Man lernt nicht nur in seinem Fachbereich unglaublich viel; sondern auch, wie Menschen funktionieren, die Wirtschaft, das Recht, die gesamte Welt.

Dann wäre für dich der Wechsel zurück in eine Angestelltenrolle …

Der grösste Albtraum.

Ein eigenes Unternehmen zu haben, ist aber oft auch mit der Freizeit schwierig in Einklang zu bringen. Wie gehst du damit um?

Man hat zwar 24/7 alles im Hinterkopf, aber deswegen muss man nicht ständig arbeiten. Mir ist es sehr wichtig, dass man seine Freizeit ebenfalls priorisiert. Denn wenn man ausbrennt, gefährdet man damit auch das Unternehmen. Entgegen allen Klischees ist es übrigens gut möglich, als Startup-Gründer ein Privatleben zu haben. Ich mache es so, dass ich auf Produktivität, strikte Priorisierung und gute Organisation setze. Das heisst, ich arbeite pro Tag acht bis zehn Stunden Vollgas; danach nehmen ich mir aber bewusst Zeit für anderes. Ich priorisiere meine Aufgaben so, dass ich stets weiss, was dringend ist und ich selbst erledigen muss. Den Rest kann man delegieren oder warten lassen. Und ich organisiere mich so, dass ich nur zu gewissen Zeiten E-Mails bearbeite, auf Social-Media-Kommentare antworte und Telefonate mache.

Welche Qualitäten müssen Startup-Gründerinnen und -Gründer haben?

Auf jeden Fall Durchhaltevermögen. Aufgeben darf nie zum Thema werden, egal was passiert. Damit einher geht auch, dass man Probleme lösungsorientiert und kreativ angeht. Neue Probleme kann man nur mit neuen Lösungen angehen. Was mir auch sehr wichtig erscheint, sind soziale Kompetenzen – zum Beispiel, dass man gut kommunizieren und präsentieren kann, ein sympathisches Auftreten hat und einen positiven Eindruck hinterlassen kann. Schliesslich ist man als CEO das Gesicht der Marke.

Was sollten Leute über Startups wissen?

Die Konzentration von Talenten ist in Startups viel höher als in anderen Unternehmen. Talentierte Leute wollen die Welt verändern, disruptiv sein, an etwas arbeiten, das sie mitgestalten und an dessen Erfolg sie teilhaben können. Diesen Mix findet man sonst nirgends.

Alyssia Kugler

"Interviews mit Startups zu führen, ermöglicht es mir unserer Leserschaft Inspiration, Erfahrungswerte und authentische Einblicke ins Gründerleben und den Unternehmensaufbau zu geben."

"Interviews mit Startups zu führen, ermöglicht es mir unserer Leserschaft Inspiration, Erfahrungswerte und authentische Einblicke ins Gründerleben und den Unternehmensaufbau zu geben."
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In zwei Jahren hat sich Relai zu einer der grössten Bitcoin-Apps Europas gemausert. Diese rasante Entwicklung prägte auch Mitgründer Julian Liniger. Im Interview sprechen wir mit ihm über die Entwicklung von Relai sowie über seine persönliche Entwicklung.

Ihr habt die erste Version von eurer Bitcoin-Investment-App am «F10 Hackathon» programmiert. Gäbe es Relai ohne den Hackathon nicht?

Ich denke, Relai gäbe es auch ohne die Teilnahme am «F10 Hackathon». Aber der Hack war definitiv ein Katalysator, weil er uns gezwungen hatte, innert 48 Stunden die Idee und das Geschäftsmodell zu konkretisieren, die App zu programmieren sowie eine erste Website und Social-Media-Kanäle zu lancieren. Ausserdem konnten wir dort die Idee vor vielen Leuten präsentieren, was eine gute Übung war. Dass ich dort meinen Mitgründer kennengelernt hatte, machte die Teilnahme besonders wertvoll.

Danach habt ihr an vielen Startup-Wettbewerben teilgenommen. Hat sich das gelohnt?

Ja, am Anfang hilft es sehr, denn jeder Wettbewerb ist eine Möglichkeit, seine Pitch-Präsentation zu üben und im Anschluss zu verbessern. Ausserdem erhält man an jedem Wettbewerb Feedback und Tipps und erweitert zugleich sein Netzwerk. Wichtig ist, dass man die Ratschläge filtert und nicht alles macht, was einem gesagt wird. Denn jeder sagt etwas Anderes. 

Hast du gleich noch weitere Tipps für junge Gründerinnen und Gründer?

Die wichtigsten drei Tipps, die ich mitgeben kann, sind: Erstens, dass man mit seinem Produkt ein Problem löst. Dazu muss man sich so intensiv mit dem Problem auseinandersetzen, dass die Lösung dann unschlagbar gut wird. Zweitens, dass man mit ganz vielen Leuten über die Startup-Idee spricht, und zwar nicht nur mit fachspezifischen Personen, sondern auch mit Familie, Freunden und fachfremden Personen. Drittens, dass man so schnell wie möglich an den Markt geht. Das Endprodukt muss noch nicht fertig oder perfekt sein, aber lass den Markt wissen, dass es dich gibt.

Dein dritter Punkt klingt nach einem Learning von dir selbst. Du hattest ja Angst vor dem Launch und dann lief trotzdem alles super …

Ja, so ist es. Die meisten warten zu lange, bevor sie ihre Idee öffentlich machen. Ich denke, das ist in der Schweiz besonders verankert, weil viele von uns perfektionistisch sind und es peinlich finden, wenn etwas unfertig ist. Aber Reid Hoffmann, der Gründer von LinkedIn, hat da mit seinem ikonischen Spruch völlig recht. Er sagte: «If you are not embarrassed by the first version of your product, you’ve launched too late». Es geht darum, dass man günstig und schnell eine erste Version entwickeln soll, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen, Feedback zu erhalten und die Idee zu validieren. Wenn man dies nicht tut, verliert man viel Zeit und Geld. Schliesslich perfektioniert man ein Produkt, von dem man nicht sicher sein kann, dass es auf dem Markt gut ankommt. 

Die erste Version der Bitcoin-Investment-App von Relai ist an einem Hackathon entwickelt worden. Seither wird sie stets weiterentwickelt. (Foto: Relai)

Bemerkst du diesbezüglich eine Veränderung in der Mentalität von Gründerinnen und Gründern?

Insgesamt steht uns der Perfektionismus weiterhin im Weg. Aber ich merke schon, dass viele versuchen, sich das Mindset aus dem Silicon Valley verstärkt anzunehmen und mutiger zu sein. Wir Schweizer kommen langsam aus dem KMU-Denken raus und ins Startup-Mindset rein. Mittlerweile gibt es viele Schweizer Gründerinnen und Gründer, die gross und international denken oder sogar anstreben, ihr Startup auf ein Unicorn-Level zu bringen. (Anmerkung der Redaktion: Ein Startup auf Unicorn-Level hat eine Unternehmensbewertung von über einer Milliarde Franken.) Meine wichtigste Erkenntnis für Wachstum ist, dass man nicht versuchen sollte, möglichst schnell profitabel zu sein. Anfangs muss man Millionen investieren, um zu wachsen und es mit den Grossen aufnehmen zu können. Dass in den letzten Jahren vermehrt Venture Capital (Anmerkung der Redaktion: Venture Capital ist Riskokapital) in Schweizer Startups investiert wird, sollten wir uns zunutze machen.

Wie verlief denn bei euch das Fundraising?

Die Idee starteten wir zuerst als Hobby. Als wir Vollzeit daran arbeiten wollen, mussten wir Geld aufnehmen, um unsere Jobs künden zu können. Die erste Finanzierungsrunde machten wir im März 2020 mit zwei Business Angels. So kamen wir an 20’000 Franken, mit denen wir drei Monate Vollgas geben konnten. Schnell hatten wir 1000 Nutzer und 100’000 Handelsvolumen. In der nächsten Finanzierungsrunde nahmen wir 300’000 Franken auf, um die Produktentwicklung und das Marketing voranzutreiben. Schliesslich hatten wir mit Redalpine einen Lead-Investor für die Seed-Runde gewonnen. (Anmerkung der Redaktion: Eine Seed-Runde ist die erste grosse Finanzierungsrunde, die noch vor der Wachstumsphase gemacht wird.) Redalpine war für uns ein Trauminvestor, weil sie Expertise im Fintech- und Kryptobereich haben, und zum Beispiel Investor von der erfolgreichsten Neobank Europas N26 waren. Von dieser Erfahrung haben wir uns viel versprochen.

In der Seed-Runde hattet ihr 2,5 Millionen aufgenommen. Plötzlich ein ungewohntes Budget, oder?

Wir waren finanziell immer knapp dran und nach monatelanger Fundraising-Tortur haben die Investoren plötzlich innerhalb von einem Wochenende Nägel mit Köpfen gemacht. Das lief so ab, dass ich an einem Freitagnachmittag nach strategischen Überlegungen gefragt wurde, wofür wir das Geld einsetzen würden. Dies hatte ich über das Wochenende gemacht und am Montag bekam ich bereits das Okay und das Term Sheet für die Unterschrift. Das Kapital war dann auch schnell auf dem Konto. Das war dann schon ungewohnt, plötzlich so viel Geld zur Verfügung zu haben. Doch in den Jahren zuvor lernten wir, mit wenig Geld viel zu erreichen. Damit wollten wir keinesfalls aufhören, bloss weil wir nun ein volles Konto hatten. Denn wenn man viel Geld ineffizient einsetzt, kommt man genauso wenig vorwärts.

Fundraising ist eine der grössten Herausforderungen für Startup-Gründerinnen und -Gründer. Welche Aufgaben waren ebenso herausfordernd?

Man muss stets schneller und besser sein als seine Mitbewerber. Das heisst, dass man sein Produkt schnell und in hoher Qualität weiterentwickeln muss, damit man nicht eingeholt wird. Diese Herausforderung ist neben dem Aufbau eines unschlagbaren Teams eine der grössten.

Wie findet man Mitarbeitende, die so für die Vision brennen wie man selbst als Gründer?

Bei uns sind es drei Aspekte, die dazu beitragen, dass wir ein leidenschaftliches Team haben. Erstens rekrutieren wir global, weil wir der Überzeugung sind, dass gut ausgebildete Leute überall sind. Zweitens investieren wir viel in Branding, um zu zeigen, dass wir ein cooler, attraktiver Arbeitgeber sind, der seine Werte vertritt. Dadurch bekommen wir sogar Blindbewerbungen von Leuten, die für Relai arbeiten möchten, eben weil die Werte und Ziele mit ihren eigenen übereinstimmen. Drittens beteiligen wir alle Mitarbeitenden an der Firma, damit sie «Skin in the game» haben, das heisst, unternehmerisch denken.

In Startups arbeiten Leute, die etwas mitgestalten und am Erfolg partizipieren wollen. Hier die Geschäftsleitung von Relai rund um CEO Julian Liniger. (Foto: Relai)

Wie bist du selbst mit deiner Rolle als CEO zurechtgekommen?

Ich habe mich nie als grosse Führungspersönlichkeit gesehen. Entsprechend war es zu Beginn eine grosse Herausforderung, CEO von einem wachsenden Unternehmen mit wachsendem Team zu sein. Ausserdem muss man als Startup-Gründer ein Allrounder sein, der selbst Hand anlegt. Das ist manchmal schwierig. Man muss sich in viele Themen selbst einarbeiten und später wieder abgeben, um in strategischere Rollen zu wechseln. CEO zu sein bedeutet zudem, dass man viel kommuniziert mit wichtigen Stakeholdern und die Firma nach aussen vertritt. Ich denke nicht, dass man in einem anderen Job eine solch steile Lernkurve haben kann wie als Startup-CEO. Man lernt nicht nur in seinem Fachbereich unglaublich viel; sondern auch, wie Menschen funktionieren, die Wirtschaft, das Recht, die gesamte Welt.

Dann wäre für dich der Wechsel zurück in eine Angestelltenrolle …

Der grösste Albtraum.

Ein eigenes Unternehmen zu haben, ist aber oft auch mit der Freizeit schwierig in Einklang zu bringen. Wie gehst du damit um?

Man hat zwar 24/7 alles im Hinterkopf, aber deswegen muss man nicht ständig arbeiten. Mir ist es sehr wichtig, dass man seine Freizeit ebenfalls priorisiert. Denn wenn man ausbrennt, gefährdet man damit auch das Unternehmen. Entgegen allen Klischees ist es übrigens gut möglich, als Startup-Gründer ein Privatleben zu haben. Ich mache es so, dass ich auf Produktivität, strikte Priorisierung und gute Organisation setze. Das heisst, ich arbeite pro Tag acht bis zehn Stunden Vollgas; danach nehmen ich mir aber bewusst Zeit für anderes. Ich priorisiere meine Aufgaben so, dass ich stets weiss, was dringend ist und ich selbst erledigen muss. Den Rest kann man delegieren oder warten lassen. Und ich organisiere mich so, dass ich nur zu gewissen Zeiten E-Mails bearbeite, auf Social-Media-Kommentare antworte und Telefonate mache.

Welche Qualitäten müssen Startup-Gründerinnen und -Gründer haben?

Auf jeden Fall Durchhaltevermögen. Aufgeben darf nie zum Thema werden, egal was passiert. Damit einher geht auch, dass man Probleme lösungsorientiert und kreativ angeht. Neue Probleme kann man nur mit neuen Lösungen angehen. Was mir auch sehr wichtig erscheint, sind soziale Kompetenzen – zum Beispiel, dass man gut kommunizieren und präsentieren kann, ein sympathisches Auftreten hat und einen positiven Eindruck hinterlassen kann. Schliesslich ist man als CEO das Gesicht der Marke.

Was sollten Leute über Startups wissen?

Die Konzentration von Talenten ist in Startups viel höher als in anderen Unternehmen. Talentierte Leute wollen die Welt verändern, disruptiv sein, an etwas arbeiten, das sie mitgestalten und an dessen Erfolg sie teilhaben können. Diesen Mix findet man sonst nirgends.

Alyssia Kugler

"Interviews mit Startups zu führen, ermöglicht es mir unserer Leserschaft Inspiration, Erfahrungswerte und authentische Einblicke ins Gründerleben und den Unternehmensaufbau zu geben."

Alyssia Kugler

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