Frauen in Führungspositionen, Frauen im technischen Bereich – beides noch keine Alltäglichkeit. Und doch gibt es sie, die Vorreiter: Leonie Flückiger hat als CTO Adresta mitgegründet und es anschliessend erfolgreich verkauft.

Du wolltest ursprünglich Kunst oder Industriedesign studieren, bist dann aber doch in den technischen Bereich…

Ja, einerseits hatte ich eine Studienberaterin, die für mich die Brücke zwischen meinem Interesse an Kunst und Materialien zu dem Studiengang Materialwissenschaften an der ETH gut geschlagen hat. Und anderseits hat mich auch meine Mami daran erinnert, dass ich Kunst auch als Hobby ausüben kann. 

Und wie lag dir das technische Studium an der ETH?

Ganz ehrlich: Das erste Jahr war sehr taff. Mathe, Physik – am Anfang waren es nur trockene Grundlagenfächer. Aber ich habe coole Leute kennengelernt, viel gelernt und das Studium hat mir Freude bereitet. So wechselte ich für meinen Master in den Studiengang Mikro- und Nanosysteme. Meine Masterarbeit durfte ich dann sogar auf Basis meiner Firma schreiben – ein Luxus, den mir die ETH damit bot.

Du sprichst es schon an, du hast 2019 ein Tech-Startup mitgegründet. Um was geht es dabei und wie kam es dazu?

Adresta erstellt digitale Zertifikate basierend auf Blockchain für Luxusgüter, etwa Uhren. Das Startup ist aus einem Projekt zusammen mit der Helvetia Versicherung entstanden, wobei meine zwei Mitgründer Nicolas Borgeaud und Mathew Chittazhathu sich für meinen damaligen Verein an der ETH als Partnerin entschieden haben. Dabei hatte ich zuvor noch nie etwas von Blockchain gehört und musste mich zuerst einmal in die Thematik einarbeiten. 

Und wie ging es dann weiter?

Ich wusste, dass meine zwei Mitgründer, das Projekt ausgründen wollten und so habe ich sie einfach gefragt, ob sie mich mit ins Boot holen wollen. Denn ich habe mich immer mehr für Blockchain begeistert und da das Startup mit der Uhrenindustrie einhergeht, ging dies wiederrum auch zurück auf mein Studium der Materialwissenschaft. So habe ich den Schritt gewagt, eigentlich völlig unerwartet – denn nebenbei musste ich noch meinen Master-Abschluss machen müssen. 

Warum hast du Adresta als CTO mitgegründet?

Dies ergab sich eigentlich aus meinem Studium, da ich als einzige einen technischen Hintergrund hatte. Wobei mir dieses Wissen dann auch im Verkauf geholfen, denn ich konnten den CEOs der Uhrenindustrie die Technologie erklären. Und ebenso bei der Mitarbeiterbesetzung kam mir mein Knowhow gelegen: Denn so konnte ich die technischen Rollen mit Topleuten besetzen, die viel besser als ich sind. Und das ist sehr wichtig: Man muss bessere Leute als sich selbst in ein Startup reinholen. 

«Man muss bessere Leute als sich selbst in ein Startup reinholen.»

CTO ist eine noch immer eher männlich konnotierte Position. Gibt es auch Vorteile für weibliche Tech-Führungspersonen?

Ich glaube, man fällt als Frau leichter auf und wird so schneller an grosse Konferenzen eingeladen. Ich hatte zum Beispiel die Chance neben Kevin O’Leary, einem der grössten Startup-Stars in Amerika, zu reden. Aber man muss natürlich technisch ein grosses Wissen haben, um ernst genommen zu werden.

Das heisst es gibt auch Klischees, mit welchen weibliche CTOs zu kämpfen haben?

Ja, viele gingen zuerst einmal davon aus, dass unser CEO Mathew die Tech-Person und ich zuständig fürs Marketing sei. Aber diese Vorurteile kann man den Leuten nicht übelnehmen. Ich glaube, je mehr weibliche Vorbilder wir haben und Frauen in technischen Positionen sehen, desto normaler wird es. 

«Je mehr wir Frauen in technischen Positionen sehen, desto normaler wird es.»

Und du bist eine davon – gerade in der Schweiz. Forbes hat dich voriges Jahr in die Liste der 30 spannendsten Schweizerinnen und Schweizer unter 30 inkludiert. Wie fühlst du dich dabei?

Eigentlich hatte ich bisher keine Zeit, um das zu realisieren. Das erste Mal, das ich gemerkt habe, was ich bewirke, war als eine gründende Freundin mir sagte, dass sie es unter anderem wegen mir wagt. 

Und was für Tipps würdest du ihr für die Gründung mitgeben?

Ruf mich jederzeit an, wenn du was brauchst. Denn oft traut man sich nicht, Hilfe zu holen. Und das Zweite ist, einfach dranzubleiben, das ist das Wichtigste. Man braucht ein Can-Do-Mindset, denn irgendwie findet man immer eine Lösung.

War das auch dein grösstes Learning während der Zeit bei Adresta?

Ja, denn generell, wenn man ein Ziel hat, sollte man darüber hinausschiessen und sehr viel mehr wollen. Man sollte sich nicht kleiner geben, als man ist. Dabei wird die Startup-Welt von denen dominiert, die gross denken und weiter gehen. 

«Die Startup Welt wird von denen dominiert, die gross denken.»

Und dann seid ihr weitergegangen und habt 2022 Adresta verkauft. Warum?

Für uns gab es nur zwei Wege – entweder lässt man ein Startup richtig gross werden oder man erfindet etwas, das man dann verkauft. Wir waren uns früh bewusst, dass wir nicht allein für einen Standard sorgen können und Adresta längerfristig entweder an eine grosse Kundendatenbank oder einen grossen Uhrenhersteller gehen muss.

Also voller Erfolg, dass du Adresta an die Bucherer Group weitergeben konntest?

Ja, und was für mich Erfolg auch definiert, ist, dass sie das Team übernommen haben und diese das Ganze weiterentwickeln. Das ist für mich wirklich lässig.

Verena Edinger

Innovation
Startups
Tipps
Geistiges Eigentum
Startup Ökosystem
Female Entrepreneur
Investoren & Fundraising
Interview

Frauen in Führungspositionen, Frauen im technischen Bereich – beides noch keine Alltäglichkeit. Und doch gibt es sie, die Vorreiter: Leonie Flückiger hat als CTO Adresta mitgegründet und es anschliessend erfolgreich verkauft.

Du wolltest ursprünglich Kunst oder Industriedesign studieren, bist dann aber doch in den technischen Bereich…

Ja, einerseits hatte ich eine Studienberaterin, die für mich die Brücke zwischen meinem Interesse an Kunst und Materialien zu dem Studiengang Materialwissenschaften an der ETH gut geschlagen hat. Und anderseits hat mich auch meine Mami daran erinnert, dass ich Kunst auch als Hobby ausüben kann. 

Und wie lag dir das technische Studium an der ETH?

Ganz ehrlich: Das erste Jahr war sehr taff. Mathe, Physik – am Anfang waren es nur trockene Grundlagenfächer. Aber ich habe coole Leute kennengelernt, viel gelernt und das Studium hat mir Freude bereitet. So wechselte ich für meinen Master in den Studiengang Mikro- und Nanosysteme. Meine Masterarbeit durfte ich dann sogar auf Basis meiner Firma schreiben – ein Luxus, den mir die ETH damit bot.

Du sprichst es schon an, du hast 2019 ein Tech-Startup mitgegründet. Um was geht es dabei und wie kam es dazu?

Adresta erstellt digitale Zertifikate basierend auf Blockchain für Luxusgüter, etwa Uhren. Das Startup ist aus einem Projekt zusammen mit der Helvetia Versicherung entstanden, wobei meine zwei Mitgründer Nicolas Borgeaud und Mathew Chittazhathu sich für meinen damaligen Verein an der ETH als Partnerin entschieden haben. Dabei hatte ich zuvor noch nie etwas von Blockchain gehört und musste mich zuerst einmal in die Thematik einarbeiten. 

Und wie ging es dann weiter?

Ich wusste, dass meine zwei Mitgründer, das Projekt ausgründen wollten und so habe ich sie einfach gefragt, ob sie mich mit ins Boot holen wollen. Denn ich habe mich immer mehr für Blockchain begeistert und da das Startup mit der Uhrenindustrie einhergeht, ging dies wiederrum auch zurück auf mein Studium der Materialwissenschaft. So habe ich den Schritt gewagt, eigentlich völlig unerwartet – denn nebenbei musste ich noch meinen Master-Abschluss machen müssen. 

Warum hast du Adresta als CTO mitgegründet?

Dies ergab sich eigentlich aus meinem Studium, da ich als einzige einen technischen Hintergrund hatte. Wobei mir dieses Wissen dann auch im Verkauf geholfen, denn ich konnten den CEOs der Uhrenindustrie die Technologie erklären. Und ebenso bei der Mitarbeiterbesetzung kam mir mein Knowhow gelegen: Denn so konnte ich die technischen Rollen mit Topleuten besetzen, die viel besser als ich sind. Und das ist sehr wichtig: Man muss bessere Leute als sich selbst in ein Startup reinholen. 

«Man muss bessere Leute als sich selbst in ein Startup reinholen.»

CTO ist eine noch immer eher männlich konnotierte Position. Gibt es auch Vorteile für weibliche Tech-Führungspersonen?

Ich glaube, man fällt als Frau leichter auf und wird so schneller an grosse Konferenzen eingeladen. Ich hatte zum Beispiel die Chance neben Kevin O’Leary, einem der grössten Startup-Stars in Amerika, zu reden. Aber man muss natürlich technisch ein grosses Wissen haben, um ernst genommen zu werden.

Das heisst es gibt auch Klischees, mit welchen weibliche CTOs zu kämpfen haben?

Ja, viele gingen zuerst einmal davon aus, dass unser CEO Mathew die Tech-Person und ich zuständig fürs Marketing sei. Aber diese Vorurteile kann man den Leuten nicht übelnehmen. Ich glaube, je mehr weibliche Vorbilder wir haben und Frauen in technischen Positionen sehen, desto normaler wird es. 

«Je mehr wir Frauen in technischen Positionen sehen, desto normaler wird es.»

Und du bist eine davon – gerade in der Schweiz. Forbes hat dich voriges Jahr in die Liste der 30 spannendsten Schweizerinnen und Schweizer unter 30 inkludiert. Wie fühlst du dich dabei?

Eigentlich hatte ich bisher keine Zeit, um das zu realisieren. Das erste Mal, das ich gemerkt habe, was ich bewirke, war als eine gründende Freundin mir sagte, dass sie es unter anderem wegen mir wagt. 

Und was für Tipps würdest du ihr für die Gründung mitgeben?

Ruf mich jederzeit an, wenn du was brauchst. Denn oft traut man sich nicht, Hilfe zu holen. Und das Zweite ist, einfach dranzubleiben, das ist das Wichtigste. Man braucht ein Can-Do-Mindset, denn irgendwie findet man immer eine Lösung.

War das auch dein grösstes Learning während der Zeit bei Adresta?

Ja, denn generell, wenn man ein Ziel hat, sollte man darüber hinausschiessen und sehr viel mehr wollen. Man sollte sich nicht kleiner geben, als man ist. Dabei wird die Startup-Welt von denen dominiert, die gross denken und weiter gehen. 

«Die Startup Welt wird von denen dominiert, die gross denken.»

Und dann seid ihr weitergegangen und habt 2022 Adresta verkauft. Warum?

Für uns gab es nur zwei Wege – entweder lässt man ein Startup richtig gross werden oder man erfindet etwas, das man dann verkauft. Wir waren uns früh bewusst, dass wir nicht allein für einen Standard sorgen können und Adresta längerfristig entweder an eine grosse Kundendatenbank oder einen grossen Uhrenhersteller gehen muss.

Also voller Erfolg, dass du Adresta an die Bucherer Group weitergeben konntest?

Ja, und was für mich Erfolg auch definiert, ist, dass sie das Team übernommen haben und diese das Ganze weiterentwickeln. Das ist für mich wirklich lässig.

Verena Edinger

Verena Edinger