Mathis Büchi schrieb mit Smallpdf und Taxfix bereits zwei Erfolgsgeschichten. Mit Genova.ai ist nun sein drittes Startup am Start. Er findet, es fehlen in der Schweiz die grossen Visionen und «Just do it»-Mentalität.

Was hättest du gerne gewusst, bevor du dein erstes Unternehmen gegründet hast?

Ein Startup aufzubauen ist nicht etwas, bei dem man ein Ziel erreicht und dieses danach abhaken kann. Man hat immer wieder eine grosse nächste Aufgabe vor sich, wie zum Beispiel die nächste Finanzierungsrunde. Wenn man das erreicht hat, freut man sich drei Minuten und schon arbeitet man am nächsten Punkt. Deshalb ist es äusserst wichtig, Freude am Weg zu haben, statt sich nur auf Ziele zu versteifen. Dem war ich mir anfangs nicht bewusst.

Wieso wolltest du ein Startup gründen, statt den «normalen» Karriereweg einzuschlagen?

Ich habe schon im Gymnasium gemerkt, dass ich ein Problem habe mit Autorität und Leuten, die mir sagen, was ich zu tun habe. Wenn ich nicht einverstanden bin mit einem Plan, möchte ich es gerne so machen, wie ich es für richtig halte. Ich war mir deshalb schon immer bewusst, dass ich in einer klassischen Karriere wenig Chancen hätte und ein unglaublich schlechter Mitarbeiter geworden wäre. Für mich war Unternehmertum eigentlich meine einzige Wahl.

«Für mich war Unternehmertum die einzige Wahl.»

Welche Schlüsselerkenntnisse hast du aus der Smallpdf-Zeit für dich mitgenommen?

Die «Just do it»-Mentalität. Bei Smallpdf hatten wir die simple Idee gehabt, das Verkleinern von PDF-Dateien einfacher zu machen. Wir hatten uns dazu ausgetauscht und dann direkt mit der Umsetzung gestartet. Drei Stunden später war die Website live mit dem PDF-Compressor – was heute ein Produkt geworden ist, mit vielen Millionen Nutzerinnen und Nutzern am Tag. Mit dieser «Just do it»-Strategie, verbringt man nicht viel Zeit mit Recherche oder Hinterfragen, ermöglicht dafür umso schneller die ersten Kundeninteraktionen. Diese helfen enorm, um sich rasch zu verbessern und weiterzuentwickeln. Man fängt also klein an, denkt aber gross und orientiert sich an der Vision.

Und betreffend der Finanzierung?

Wir hatten uns gegen Investoren entschieden, weil wir dachten, dieser Weg sei nicht der Richtige für uns. Im Falle von Smallpdf bin ich 100 Prozent überzeugt, dass das eine enorm wichtige Entscheidung war. Denn mit Venture Capital wären wir gezwungen gewesen, schnell zu wachsen. Ich denke, wenn man versucht hätte, zu schnell zu gross zu werden, hätten wir Smallpdf gegen die Wand gefahren. Als profitables Startup ging es auch ohne Venture Capital. Es war ein etwas langsamerer Weg, jedoch einer, der stetig nach oben ging.

Für das nächste Startup, Taxfix, hattet ihr dann doch Investoren und es wurde zum Unicorn…

Wir waren sehr ambitioniert und sind mit einer grossen Vision an die Sache herangegangen. Es ging nicht darum, ein Unicorn zu erschaffen, sondern darum, ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen, das auch wirklich etwas bewegt und Menschen helfen kann. Wir haben mittlerweile für unsere Kunden in Deutschland Steuerrückerstattungen von über zwei Milliarden ermöglicht. Für Menschen mit wenig Geld ist unsere Hilfestellung sehr wertvoll. Das war für uns das Wichtigste. Ausserdem war die Software sehr aufwändig in der Entwicklung und ohne das externe Kapital hätte der Aufbau zu lange gedauert.

«Es ging nicht darum, ein Unicorn zu erschaffen, sondern ein Unternehmen aufzubauen, das möglichst vielen Menschen helfen kann.»

Welche Herausforderungen gab es bei Taxfix?

Wir haben zwar versucht, unser System so zu bauen, dass es auch andere Steuersysteme unterstützen kann, damit wir in andere Länder expandieren können. Aber eine Internationalisierung ist nicht einfach. Ausserdem ist das Tempo in einem mit Venture Capital finanzierten Startup enorm. In einer starken Wachstumsphase kommt man als Gründer immer wieder an seine absolute Grenze. Man macht die ganze Zeit Sachen, die man noch nie gemacht hat. Jeden Tag beschäftigt man sich mit einem neuen Thema, von dem man überhaupt keine Ahnung hat. Ein Startup in einer Hypergrowth-Phase zu führen, ist ein bisschen wie ein «MBA on steroids»: Du lernst alles über Business, was normalerweise zehn Jahre Zeit bräuchte.

Dein neustes Startup, Genova.ai, entwickelt mittels KI neue KI-Produkte. Das klingt auch nach viel Neuem und einer steilen Lernkurve.

«Wann immer möglich nutzen wir generative KI, um effizienter zu sein.»

Ja, auf jeden Fall. Bei Genova.ai bauen wir dutzende KI-Projekte pro Jahr. Jedes dieser digitalen Produkte versuchen wir innerhalb von vier Wochen umzusetzen. Um das in einer so kurzen Zeit schaffen zu können, müssen wir bei der Entwicklung generative KI einbeziehen.

Gibt es die Befürchtung, wegen der intensiven Nutzung von generativer KI das Denken zu verlernen?

Es nimmt einem ja nicht das Überlegen selbst weg, sondern unterstützt uns nur extrem. Im Moment ist die Art, wie wir Künstliche Intelligenz nutzen, noch auf Kindergarten-Level. Wir müssen lernen von dieser Technologie richtig zu profitieren und uns überlegen, wie wir auf KI-basierte Tools zukünftig nutzen können. Man meinte lange, dass KI nicht kreativ sein könne, keine guten Texte oder einzigartige Bilder erstellen könne, und dies dem Menschen vorbehalten bleibe. Das stimmt jedoch schon nicht mehr. 

 «Wir müssen uns überlegen, wie wir auf KI-basierte Tools zukünftig nutzen können.»

Kannst du ein Beispiel machen für ein Produkt, das ihr mithilfe von KI entwickelt habt?

Wir arbeiten zum Beispiel gerade an einem Tool, mit dem TikTok-Werbung erstellt werden kann. Dieses kann vollautomatisiert die Storyline skripten, das Video im typischen TikTok-Stil generieren, auf TikTok ausspielen, sich mit anderen Werbemitteln vergleichen und eine Analyse erstellen. Die Künstliche Intelligenz spuckt auf Basis der Unternehmenswebsite innerhalb von drei Minuten bis zu 50 verschiedene Videos aus. Verglichen mit von Menschen gemachten Videos performen unsere KI-Videos fast immer besser – und zudem werden sie mithilfe von KI schneller und günstiger erstellt.

Was ist deine Meinung zu Regulierungen im KI-Bereich?

«Zu viele Regulierungen für KI können der Wirtschaft schaden.»

Grundsätzlich ist die Regulierung von KI wichtig. Aber ich glaube auch, dass man sehr vorsichtig sein muss, wenn man etwas regulieren will, das sich so schnell bewegt. Je länger es dauert, bis eine Regulierung eingeführt wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie gar nicht mehr greift, weil sich die Technologie in der Zwischenzeit bereits weiterentwickelt hat und völlig anders funktioniert. Und je genauer man versucht Regeln zu formulieren, desto eher kann es den Markt kaputt machen und der Wirtschaft schaden. Meiner Meinung nach sollten sich daher Regulierungen auf Grundlegendes fokussieren. Wenn die Schweiz hierbei pragmatisch bleibt, könnte dies eine riesige Chance sein, sich anders zu positionieren als die EU und zu einem attraktiven Ort für KI-Unternehmen werden.

Welche Unterschiede stellst du fest, wenn du Zürich und Berlin als Startup-Unternehmenssitz vergleichst?

In Berlin ist die Startup-Szene sicher deutlich fortgeschrittener und reifer. Es hat mehr Leute, die schon in vielen Jungunternehmen wertvolle Erfahrung gesammelt haben und man findet schneller Personen für sein wachsendes Team. Wenn man Deutschland mit der Schweiz vergleicht, ist hier das Regulatorische einfacher. In Deutschland ist die Bürokratie unglaublich hoch und nimmt entsprechend viel Zeit und Ressourcen in Anspruch. Dafür sind die operativen Kosten für ein Startup in Deutschland etwa 30 bis 40 Prozent tiefer als in der Schweiz. Aus diesem Grund habe ich auch einen grossen Teil von meinem Team von Genova.ai in Deutschland.

Was fehlt der Schweiz, um ein erfolgreicheres und bekanntes Startup-Land zu werden?

«Viele Gründerinnen und Gründer stehen sich selbst im Weg, weil sie nicht gross genug denken.»

Viele Gründerinnen und Gründer stehen sich selbst im Weg, weil sie nicht gross genug denken – und zwar von Anfang an. Mir fehlen jeweils die Vision und die Lust, etwas auf dieser Welt zu verändern. Es ist zwar auch gesund, klein anzufangen, aber den grossen Traum für die nächsten Jahre muss man schon bereit haben, um erfolgreich zu sein. Ich kann mir auch vorstellen, dass es in der Schweiz weniger Anreiz gibt, ein Startup zu gründen. Denn hier kann man eine ausgewogene Work-Life-Balance haben und gut verdienen, während ein Startup aufzubauen einfach unglaublich hart ist. Es braucht sehr viel Energie, viele lange Nächte und auch persönliche Verzichte. Meiner Meinung nach ist es aber auch sehr zufriedenstellend, wenn man sieht, was man selbst erschaffen hat, und das ist mir die anstrengende Zeit wert.

Was könnte man politisch für Startups besser machen?

Man könnte bessere ESOP-Systeme einführen, damit man einfacher Mitarbeiterbeteiligungen machen kann und diese Beteiligungen anders versteuert werden. Ausserdem wäre es wichtig, bessere Bedingungen zu haben, um Fachkräfte aus dem Ausland zu holen – da ist uns die EU-weit voraus.

Wie wählt ihr aus, welches Produkt ihr als Nächstes schafft?

Das Auswahlverfahren ist noch nicht wahnsinnig ausgeklügelt. Wir haben eine lange Liste von Projektideen und schauen uns meistens drei Perspektiven an: die Technologie, die Überlebensfähigkeit und die Begehrlichkeit. Dann machen wir eine kleine Befragung als Nutzer-Recherche und stellen Hypothesen auf, die wir diskutieren und hinterfragen. Wenn wir uns für die Umsetzung entscheiden, erarbeiten wir anfangs immer eine Variante der Idee, die in kurzer Zeit umsetzbar ist und in dieser Variante getestet werden kann. So halten wir das finanzielle Risiko tief und können es uns leisten, Ideen wieder zu verwerfen und neue anzugehen.

Wie kann man sich die Anfänge von einem Unicorn-Startup vorstellen?

Bei Taxfix haben wir am Anfang überlegt, was wir in ein paar Wochen umsetzen können, um Menschen bei ihren Steuern zu helfen. So haben wir dann einen Blog aufgesetzt, um ganz einfach mit Artikeln den Leuten zu helfen, wie sie ihre Steuern optimieren können. Das war auch für uns extrem hilfreich, um zu verstehen, was gesucht wird, welche Probleme es gibt und unsere Dienstleistung darauf zuzuschneiden. In einem zweiten Schritt haben wir einen Prototyp gebaut, der so simpel sein sollte, dass er in vier Wochen umsetzbar war. Das war in diesem Fall ein Steuerrechner. Ein Chatbot stellte dem Nutzer Fragen und rechnete anschliessend aus, wie viel Geld man von den Steuern zurückbekommen kann. Auch dieser Zwischenschritt lehrte uns wieder sehr viel über das Problem und unsere Zielgruppe.



Alyssia Kugler

"Interviews mit Startups zu führen, ermöglicht es mir unserer Leserschaft Inspiration, Erfahrungswerte und authentische Einblicke ins Gründerleben und den Unternehmensaufbau zu geben."

"Interviews mit Startups zu führen, ermöglicht es mir unserer Leserschaft Inspiration, Erfahrungswerte und authentische Einblicke ins Gründerleben und den Unternehmensaufbau zu geben."
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Mathis Büchi schrieb mit Smallpdf und Taxfix bereits zwei Erfolgsgeschichten. Mit Genova.ai ist nun sein drittes Startup am Start. Er findet, es fehlen in der Schweiz die grossen Visionen und «Just do it»-Mentalität.

Was hättest du gerne gewusst, bevor du dein erstes Unternehmen gegründet hast?

Ein Startup aufzubauen ist nicht etwas, bei dem man ein Ziel erreicht und dieses danach abhaken kann. Man hat immer wieder eine grosse nächste Aufgabe vor sich, wie zum Beispiel die nächste Finanzierungsrunde. Wenn man das erreicht hat, freut man sich drei Minuten und schon arbeitet man am nächsten Punkt. Deshalb ist es äusserst wichtig, Freude am Weg zu haben, statt sich nur auf Ziele zu versteifen. Dem war ich mir anfangs nicht bewusst.

Wieso wolltest du ein Startup gründen, statt den «normalen» Karriereweg einzuschlagen?

Ich habe schon im Gymnasium gemerkt, dass ich ein Problem habe mit Autorität und Leuten, die mir sagen, was ich zu tun habe. Wenn ich nicht einverstanden bin mit einem Plan, möchte ich es gerne so machen, wie ich es für richtig halte. Ich war mir deshalb schon immer bewusst, dass ich in einer klassischen Karriere wenig Chancen hätte und ein unglaublich schlechter Mitarbeiter geworden wäre. Für mich war Unternehmertum eigentlich meine einzige Wahl.

«Für mich war Unternehmertum die einzige Wahl.»

Welche Schlüsselerkenntnisse hast du aus der Smallpdf-Zeit für dich mitgenommen?

Die «Just do it»-Mentalität. Bei Smallpdf hatten wir die simple Idee gehabt, das Verkleinern von PDF-Dateien einfacher zu machen. Wir hatten uns dazu ausgetauscht und dann direkt mit der Umsetzung gestartet. Drei Stunden später war die Website live mit dem PDF-Compressor – was heute ein Produkt geworden ist, mit vielen Millionen Nutzerinnen und Nutzern am Tag. Mit dieser «Just do it»-Strategie, verbringt man nicht viel Zeit mit Recherche oder Hinterfragen, ermöglicht dafür umso schneller die ersten Kundeninteraktionen. Diese helfen enorm, um sich rasch zu verbessern und weiterzuentwickeln. Man fängt also klein an, denkt aber gross und orientiert sich an der Vision.

Und betreffend der Finanzierung?

Wir hatten uns gegen Investoren entschieden, weil wir dachten, dieser Weg sei nicht der Richtige für uns. Im Falle von Smallpdf bin ich 100 Prozent überzeugt, dass das eine enorm wichtige Entscheidung war. Denn mit Venture Capital wären wir gezwungen gewesen, schnell zu wachsen. Ich denke, wenn man versucht hätte, zu schnell zu gross zu werden, hätten wir Smallpdf gegen die Wand gefahren. Als profitables Startup ging es auch ohne Venture Capital. Es war ein etwas langsamerer Weg, jedoch einer, der stetig nach oben ging.

Für das nächste Startup, Taxfix, hattet ihr dann doch Investoren und es wurde zum Unicorn…

Wir waren sehr ambitioniert und sind mit einer grossen Vision an die Sache herangegangen. Es ging nicht darum, ein Unicorn zu erschaffen, sondern darum, ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen, das auch wirklich etwas bewegt und Menschen helfen kann. Wir haben mittlerweile für unsere Kunden in Deutschland Steuerrückerstattungen von über zwei Milliarden ermöglicht. Für Menschen mit wenig Geld ist unsere Hilfestellung sehr wertvoll. Das war für uns das Wichtigste. Ausserdem war die Software sehr aufwändig in der Entwicklung und ohne das externe Kapital hätte der Aufbau zu lange gedauert.

«Es ging nicht darum, ein Unicorn zu erschaffen, sondern ein Unternehmen aufzubauen, das möglichst vielen Menschen helfen kann.»

Welche Herausforderungen gab es bei Taxfix?

Wir haben zwar versucht, unser System so zu bauen, dass es auch andere Steuersysteme unterstützen kann, damit wir in andere Länder expandieren können. Aber eine Internationalisierung ist nicht einfach. Ausserdem ist das Tempo in einem mit Venture Capital finanzierten Startup enorm. In einer starken Wachstumsphase kommt man als Gründer immer wieder an seine absolute Grenze. Man macht die ganze Zeit Sachen, die man noch nie gemacht hat. Jeden Tag beschäftigt man sich mit einem neuen Thema, von dem man überhaupt keine Ahnung hat. Ein Startup in einer Hypergrowth-Phase zu führen, ist ein bisschen wie ein «MBA on steroids»: Du lernst alles über Business, was normalerweise zehn Jahre Zeit bräuchte.

Dein neustes Startup, Genova.ai, entwickelt mittels KI neue KI-Produkte. Das klingt auch nach viel Neuem und einer steilen Lernkurve.

«Wann immer möglich nutzen wir generative KI, um effizienter zu sein.»

Ja, auf jeden Fall. Bei Genova.ai bauen wir dutzende KI-Projekte pro Jahr. Jedes dieser digitalen Produkte versuchen wir innerhalb von vier Wochen umzusetzen. Um das in einer so kurzen Zeit schaffen zu können, müssen wir bei der Entwicklung generative KI einbeziehen.

Gibt es die Befürchtung, wegen der intensiven Nutzung von generativer KI das Denken zu verlernen?

Es nimmt einem ja nicht das Überlegen selbst weg, sondern unterstützt uns nur extrem. Im Moment ist die Art, wie wir Künstliche Intelligenz nutzen, noch auf Kindergarten-Level. Wir müssen lernen von dieser Technologie richtig zu profitieren und uns überlegen, wie wir auf KI-basierte Tools zukünftig nutzen können. Man meinte lange, dass KI nicht kreativ sein könne, keine guten Texte oder einzigartige Bilder erstellen könne, und dies dem Menschen vorbehalten bleibe. Das stimmt jedoch schon nicht mehr. 

 «Wir müssen uns überlegen, wie wir auf KI-basierte Tools zukünftig nutzen können.»

Kannst du ein Beispiel machen für ein Produkt, das ihr mithilfe von KI entwickelt habt?

Wir arbeiten zum Beispiel gerade an einem Tool, mit dem TikTok-Werbung erstellt werden kann. Dieses kann vollautomatisiert die Storyline skripten, das Video im typischen TikTok-Stil generieren, auf TikTok ausspielen, sich mit anderen Werbemitteln vergleichen und eine Analyse erstellen. Die Künstliche Intelligenz spuckt auf Basis der Unternehmenswebsite innerhalb von drei Minuten bis zu 50 verschiedene Videos aus. Verglichen mit von Menschen gemachten Videos performen unsere KI-Videos fast immer besser – und zudem werden sie mithilfe von KI schneller und günstiger erstellt.

Was ist deine Meinung zu Regulierungen im KI-Bereich?

«Zu viele Regulierungen für KI können der Wirtschaft schaden.»

Grundsätzlich ist die Regulierung von KI wichtig. Aber ich glaube auch, dass man sehr vorsichtig sein muss, wenn man etwas regulieren will, das sich so schnell bewegt. Je länger es dauert, bis eine Regulierung eingeführt wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie gar nicht mehr greift, weil sich die Technologie in der Zwischenzeit bereits weiterentwickelt hat und völlig anders funktioniert. Und je genauer man versucht Regeln zu formulieren, desto eher kann es den Markt kaputt machen und der Wirtschaft schaden. Meiner Meinung nach sollten sich daher Regulierungen auf Grundlegendes fokussieren. Wenn die Schweiz hierbei pragmatisch bleibt, könnte dies eine riesige Chance sein, sich anders zu positionieren als die EU und zu einem attraktiven Ort für KI-Unternehmen werden.

Welche Unterschiede stellst du fest, wenn du Zürich und Berlin als Startup-Unternehmenssitz vergleichst?

In Berlin ist die Startup-Szene sicher deutlich fortgeschrittener und reifer. Es hat mehr Leute, die schon in vielen Jungunternehmen wertvolle Erfahrung gesammelt haben und man findet schneller Personen für sein wachsendes Team. Wenn man Deutschland mit der Schweiz vergleicht, ist hier das Regulatorische einfacher. In Deutschland ist die Bürokratie unglaublich hoch und nimmt entsprechend viel Zeit und Ressourcen in Anspruch. Dafür sind die operativen Kosten für ein Startup in Deutschland etwa 30 bis 40 Prozent tiefer als in der Schweiz. Aus diesem Grund habe ich auch einen grossen Teil von meinem Team von Genova.ai in Deutschland.

Was fehlt der Schweiz, um ein erfolgreicheres und bekanntes Startup-Land zu werden?

«Viele Gründerinnen und Gründer stehen sich selbst im Weg, weil sie nicht gross genug denken.»

Viele Gründerinnen und Gründer stehen sich selbst im Weg, weil sie nicht gross genug denken – und zwar von Anfang an. Mir fehlen jeweils die Vision und die Lust, etwas auf dieser Welt zu verändern. Es ist zwar auch gesund, klein anzufangen, aber den grossen Traum für die nächsten Jahre muss man schon bereit haben, um erfolgreich zu sein. Ich kann mir auch vorstellen, dass es in der Schweiz weniger Anreiz gibt, ein Startup zu gründen. Denn hier kann man eine ausgewogene Work-Life-Balance haben und gut verdienen, während ein Startup aufzubauen einfach unglaublich hart ist. Es braucht sehr viel Energie, viele lange Nächte und auch persönliche Verzichte. Meiner Meinung nach ist es aber auch sehr zufriedenstellend, wenn man sieht, was man selbst erschaffen hat, und das ist mir die anstrengende Zeit wert.

Was könnte man politisch für Startups besser machen?

Man könnte bessere ESOP-Systeme einführen, damit man einfacher Mitarbeiterbeteiligungen machen kann und diese Beteiligungen anders versteuert werden. Ausserdem wäre es wichtig, bessere Bedingungen zu haben, um Fachkräfte aus dem Ausland zu holen – da ist uns die EU-weit voraus.

Wie wählt ihr aus, welches Produkt ihr als Nächstes schafft?

Das Auswahlverfahren ist noch nicht wahnsinnig ausgeklügelt. Wir haben eine lange Liste von Projektideen und schauen uns meistens drei Perspektiven an: die Technologie, die Überlebensfähigkeit und die Begehrlichkeit. Dann machen wir eine kleine Befragung als Nutzer-Recherche und stellen Hypothesen auf, die wir diskutieren und hinterfragen. Wenn wir uns für die Umsetzung entscheiden, erarbeiten wir anfangs immer eine Variante der Idee, die in kurzer Zeit umsetzbar ist und in dieser Variante getestet werden kann. So halten wir das finanzielle Risiko tief und können es uns leisten, Ideen wieder zu verwerfen und neue anzugehen.

Wie kann man sich die Anfänge von einem Unicorn-Startup vorstellen?

Bei Taxfix haben wir am Anfang überlegt, was wir in ein paar Wochen umsetzen können, um Menschen bei ihren Steuern zu helfen. So haben wir dann einen Blog aufgesetzt, um ganz einfach mit Artikeln den Leuten zu helfen, wie sie ihre Steuern optimieren können. Das war auch für uns extrem hilfreich, um zu verstehen, was gesucht wird, welche Probleme es gibt und unsere Dienstleistung darauf zuzuschneiden. In einem zweiten Schritt haben wir einen Prototyp gebaut, der so simpel sein sollte, dass er in vier Wochen umsetzbar war. Das war in diesem Fall ein Steuerrechner. Ein Chatbot stellte dem Nutzer Fragen und rechnete anschliessend aus, wie viel Geld man von den Steuern zurückbekommen kann. Auch dieser Zwischenschritt lehrte uns wieder sehr viel über das Problem und unsere Zielgruppe.



Alyssia Kugler

"Interviews mit Startups zu führen, ermöglicht es mir unserer Leserschaft Inspiration, Erfahrungswerte und authentische Einblicke ins Gründerleben und den Unternehmensaufbau zu geben."

Alyssia Kugler

"Interviews mit Startups zu führen, ermöglicht es mir unserer Leserschaft Inspiration, Erfahrungswerte und authentische Einblicke ins Gründerleben und den Unternehmensaufbau zu geben."