Raphael Tobler ist im Frühling 2022 als „Mr. Startup“ ins Winterthurer Stadtparlament gewählt worden. Nun kandidiert er für den Kantonsrat. Wir wollen wissen, warum er auf die kantonale Ebene wechseln möchte und was er dort erreichen will.

Du bist erst im Mai 2022 ins Winterthurer Stadtparlament gekommen und bereits wieder im Wahlkampfmodus. Diesmal geht es um einen Sitz im Zürcher Kantonsrat. Ist es dir im Stadtparlament bereits wieder langweilig?

Langweilig ist es mir im Stadtparlament keineswegs. Ich finde es sogar äusserst interessant. Dies hat auch damit zu tun, dass diese politische Rolle und das politische Umfeld für mich noch relativ neu sind. Entsprechend habe ich mit sehr vielen neuen Themen und Menschen zu tun, was sehr spannend ist. Der wahre Grund, warum ich vom Stadtparlament in den Kantonsrat wechseln möchte, ist ein anderer. Und zwar werden die meisten Startup-Themen – die ja mir besonders am Herzen liegen – auf kantonaler Ebene entschieden werden. Ein Beispiel ist, die Entscheidung, wie die Besteuerung der Mitarbeiteraktien abgewickelt wird. Diese ist heute extrem aufwändig und mühsam und bräuchte auf kantonspolitischer Ebene Anstoss für Veränderung. Aber natürlich gibt es auch weitere spannende Themen wie Bildung und Digitalisierung, in denen ich kantonal etwas bewirken möchte.

Was konntest du für Startups in Winterthur politisch initiieren?

Ich denke, die meisten meiner Erfolge für Startups in Winterthur habe ich ausserhalb der Politik erzielt. Die zwei bedeutsamsten Erfolge sind sicherlich die Startup Nights, die 2022 acht tausend Teilnehmende hatte, und das Startup-Zentrum Home of Innovation, wo Startups unkompliziert eine all-inclusive Bürofläche mieten können. Beides hätte man auch politisch vorantreiben können. Wir haben es aber privat organisiert und auch privat finanziert. Ein politischer Erfolg hingegen ist, dass die Stadt Winterthur zusammen mit allen Startup-Stakeholdern aus der Region an der Ausarbeitung einer Startup-Strategie für Winterthur ist. Darin sind auch ein paar längerfristige und grössere Themen enthalten, die den politischen Rückhalt benötigen werden.

Raphael Tobler im Parlament Winterthur

Raphael Tobler im Stadtparlament von Winterthur.

Wenn du das meiste ausserhalb der Politik zum Erfolg gebracht hast, was spricht für einen Zeiteinsatz in der Politik?

Die Erfolge ausserhalb der Politik zeigen, dass bereits Vieles auch mit privater Initiative möglich ist. Ausserdem bin ich tatsächlich der Meinung, dass es aus diversen Gründen nicht sinnvoll ist, die Politik mit diesen Projekten zu beauftragen. Zum Beispiel, weil die Beamten zu wenig nah am Thema sind und ihre Prozesse sehr langsam sind, was sie doppelt in der Effizienz behindert. Es gibt aber Themen, die ohne die Politik nicht umgesetzt werden könnten, weil der Staat die Rahmenbedingungen festlegt. Das ist zum Beispiel bei VISA-Fragen, Steuerthemen oder den digitalen Gründungsprozessen der Fall.

Was willst du auf kantonaler Ebene erreichen?

Wie oben bereits erwähnt, wäre ein Ziel die Besteuerung von Mitarbeiteraktien zu vereinfachen. Die Beteiligung von Mitarbeitenden in einem Startup ist heute gang und gäbe und für die Mitarbeitenden ein attraktives Vergütungsmodell. Die formelle Abwicklung ist aber extrem kompliziert und unsicher. Da die Aktien eine geschätzte Bewertung haben, die noch nicht der Realität entspricht, würden die Mitarbeitenden für etwas besteuert werden, was sie nicht haben. Wegen diesen steuerlichen Unklarheiten muss jeweils ein Anwalt im Voraus hinzugezogen werden, der mit der Steuerbehörde im Voraus alle Eventualitäten vom Aktienwert absegnen lässt. Das kostet unnötig viel Geld für das Startup. Es gibt aber weitere Themen, die vorangetrieben werden müssen, wie zum Beispiel die Weiterentwicklung vom Innovationspark in Dübendorf, der Einbezug von Entrepreneurship in der Bildung oder die Entschärfung des Fachkräftemangels, welcher auch die Startups massiv betrifft.

Wie einfach oder schwierig ist es, andere Politiker: innen für die Startup-Themen zu begeistern?

Grundsätzlich stelle ich eine sehr positive Haltung fest. Das hat aus meiner Sicht unterschiedliche Gründe. Zum einen ist bekannt, dass Startups aktuelle Probleme lösen können. Das finden Parteien von links bis rechts interessant. Zudem erfahren Startups in der Gesellschaft auch ein verstärkt positives Ansehen, da es sehr viele bekannte Erfolgsgeschichten gibt. Zum anderen generieren Startups die Jobs von morgen und dagegen hat niemand etwas einzuwenden. Trotz der positiven Haltung braucht es meistens noch viel Aufklärung, was genau Startups sind und welche Herausforderungen sie haben. Je nach Herausforderung gibt es dann natürlich unterschiedliche Ansichten, wie diese gelöst werden könnten. 

Warum hat es nicht mehr Unternehmer:innen in der Politik?

Je nach Rolle und Ernsthaftigkeit braucht Politik sehr viel Zeit. Wenn du aber eine eigene Firma hast und Verantwortung für deine Mitarbeitenden trägst, hat die Firma natürlich immer Priorität. Was vermutlich ebenfalls dazu beiträgt, dass nur wenige Unternehmer und Unternehmerinnen in die Politik gehen, ist die Art und Weise wie unterschiedlich Unternehmertum und Politik funktionieren. Unternehmertum heisst, schnell entscheiden, schnell lernen, schnell verbessern, schnell umsetzen. In der Politik funktioniert diese gewohnte Machart nicht und es braucht viel Geduld, um Resultate zu erzielen.

Welche weiteren Themen möchtest du politisch vertreten und fördern?

Als Gründer des Bildungs-Startups eduwo liegt mir natürlich das Thema Bildung sehr am Herzen. Ich bin überzeugt, dass Bildung das A und O einer jeden Gesellschaft und einer funktionierenden Demokratie ist. Deshalb finde ich, sollten sich Lehrpersonen wieder mehr auf das Lehrer-Sein konzentrieren können und von der Bürokratie befreit werden. Auch eine sinnvolle Nutzung der Digitalisierung ist mir wichtig. Wenn die Digitalisierung richtig vorangetrieben wird, können alle Bevölkerungsgruppen davon profitieren. Zum Beispiel weil Digitalisierung den Zugang zu Bildung verbessert, das Gesundheitswesen effizienter und effektiver macht oder die Energienutzung in Wohnquartieren optimiert. Ausserdem kann die Digitalisierung dazu beitragen, dass die Behörden effizienter werden, wodurch sich die Mitarbeitenden mehr auf die wirklich erfolgversprechenden Themen kümmern können.

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Raphael Tobler ist im Frühling 2022 als „Mr. Startup“ ins Winterthurer Stadtparlament gewählt worden. Nun kandidiert er für den Kantonsrat. Wir wollen wissen, warum er auf die kantonale Ebene wechseln möchte und was er dort erreichen will.

Du bist erst im Mai 2022 ins Winterthurer Stadtparlament gekommen und bereits wieder im Wahlkampfmodus. Diesmal geht es um einen Sitz im Zürcher Kantonsrat. Ist es dir im Stadtparlament bereits wieder langweilig?

Langweilig ist es mir im Stadtparlament keineswegs. Ich finde es sogar äusserst interessant. Dies hat auch damit zu tun, dass diese politische Rolle und das politische Umfeld für mich noch relativ neu sind. Entsprechend habe ich mit sehr vielen neuen Themen und Menschen zu tun, was sehr spannend ist. Der wahre Grund, warum ich vom Stadtparlament in den Kantonsrat wechseln möchte, ist ein anderer. Und zwar werden die meisten Startup-Themen – die ja mir besonders am Herzen liegen – auf kantonaler Ebene entschieden werden. Ein Beispiel ist, die Entscheidung, wie die Besteuerung der Mitarbeiteraktien abgewickelt wird. Diese ist heute extrem aufwändig und mühsam und bräuchte auf kantonspolitischer Ebene Anstoss für Veränderung. Aber natürlich gibt es auch weitere spannende Themen wie Bildung und Digitalisierung, in denen ich kantonal etwas bewirken möchte.

Was konntest du für Startups in Winterthur politisch initiieren?

Ich denke, die meisten meiner Erfolge für Startups in Winterthur habe ich ausserhalb der Politik erzielt. Die zwei bedeutsamsten Erfolge sind sicherlich die Startup Nights, die 2022 acht tausend Teilnehmende hatte, und das Startup-Zentrum Home of Innovation, wo Startups unkompliziert eine all-inclusive Bürofläche mieten können. Beides hätte man auch politisch vorantreiben können. Wir haben es aber privat organisiert und auch privat finanziert. Ein politischer Erfolg hingegen ist, dass die Stadt Winterthur zusammen mit allen Startup-Stakeholdern aus der Region an der Ausarbeitung einer Startup-Strategie für Winterthur ist. Darin sind auch ein paar längerfristige und grössere Themen enthalten, die den politischen Rückhalt benötigen werden.

Raphael Tobler im Parlament Winterthur

Raphael Tobler im Stadtparlament von Winterthur.

Wenn du das meiste ausserhalb der Politik zum Erfolg gebracht hast, was spricht für einen Zeiteinsatz in der Politik?

Die Erfolge ausserhalb der Politik zeigen, dass bereits Vieles auch mit privater Initiative möglich ist. Ausserdem bin ich tatsächlich der Meinung, dass es aus diversen Gründen nicht sinnvoll ist, die Politik mit diesen Projekten zu beauftragen. Zum Beispiel, weil die Beamten zu wenig nah am Thema sind und ihre Prozesse sehr langsam sind, was sie doppelt in der Effizienz behindert. Es gibt aber Themen, die ohne die Politik nicht umgesetzt werden könnten, weil der Staat die Rahmenbedingungen festlegt. Das ist zum Beispiel bei VISA-Fragen, Steuerthemen oder den digitalen Gründungsprozessen der Fall.

Was willst du auf kantonaler Ebene erreichen?

Wie oben bereits erwähnt, wäre ein Ziel die Besteuerung von Mitarbeiteraktien zu vereinfachen. Die Beteiligung von Mitarbeitenden in einem Startup ist heute gang und gäbe und für die Mitarbeitenden ein attraktives Vergütungsmodell. Die formelle Abwicklung ist aber extrem kompliziert und unsicher. Da die Aktien eine geschätzte Bewertung haben, die noch nicht der Realität entspricht, würden die Mitarbeitenden für etwas besteuert werden, was sie nicht haben. Wegen diesen steuerlichen Unklarheiten muss jeweils ein Anwalt im Voraus hinzugezogen werden, der mit der Steuerbehörde im Voraus alle Eventualitäten vom Aktienwert absegnen lässt. Das kostet unnötig viel Geld für das Startup. Es gibt aber weitere Themen, die vorangetrieben werden müssen, wie zum Beispiel die Weiterentwicklung vom Innovationspark in Dübendorf, der Einbezug von Entrepreneurship in der Bildung oder die Entschärfung des Fachkräftemangels, welcher auch die Startups massiv betrifft.

Wie einfach oder schwierig ist es, andere Politiker: innen für die Startup-Themen zu begeistern?

Grundsätzlich stelle ich eine sehr positive Haltung fest. Das hat aus meiner Sicht unterschiedliche Gründe. Zum einen ist bekannt, dass Startups aktuelle Probleme lösen können. Das finden Parteien von links bis rechts interessant. Zudem erfahren Startups in der Gesellschaft auch ein verstärkt positives Ansehen, da es sehr viele bekannte Erfolgsgeschichten gibt. Zum anderen generieren Startups die Jobs von morgen und dagegen hat niemand etwas einzuwenden. Trotz der positiven Haltung braucht es meistens noch viel Aufklärung, was genau Startups sind und welche Herausforderungen sie haben. Je nach Herausforderung gibt es dann natürlich unterschiedliche Ansichten, wie diese gelöst werden könnten. 

Warum hat es nicht mehr Unternehmer:innen in der Politik?

Je nach Rolle und Ernsthaftigkeit braucht Politik sehr viel Zeit. Wenn du aber eine eigene Firma hast und Verantwortung für deine Mitarbeitenden trägst, hat die Firma natürlich immer Priorität. Was vermutlich ebenfalls dazu beiträgt, dass nur wenige Unternehmer und Unternehmerinnen in die Politik gehen, ist die Art und Weise wie unterschiedlich Unternehmertum und Politik funktionieren. Unternehmertum heisst, schnell entscheiden, schnell lernen, schnell verbessern, schnell umsetzen. In der Politik funktioniert diese gewohnte Machart nicht und es braucht viel Geduld, um Resultate zu erzielen.

Welche weiteren Themen möchtest du politisch vertreten und fördern?

Als Gründer des Bildungs-Startups eduwo liegt mir natürlich das Thema Bildung sehr am Herzen. Ich bin überzeugt, dass Bildung das A und O einer jeden Gesellschaft und einer funktionierenden Demokratie ist. Deshalb finde ich, sollten sich Lehrpersonen wieder mehr auf das Lehrer-Sein konzentrieren können und von der Bürokratie befreit werden. Auch eine sinnvolle Nutzung der Digitalisierung ist mir wichtig. Wenn die Digitalisierung richtig vorangetrieben wird, können alle Bevölkerungsgruppen davon profitieren. Zum Beispiel weil Digitalisierung den Zugang zu Bildung verbessert, das Gesundheitswesen effizienter und effektiver macht oder die Energienutzung in Wohnquartieren optimiert. Ausserdem kann die Digitalisierung dazu beitragen, dass die Behörden effizienter werden, wodurch sich die Mitarbeitenden mehr auf die wirklich erfolgversprechenden Themen kümmern können.

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