Startups, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen – kurz CDR-Startups – entstehen weltweit, doch der Markt steckt noch in den Kinderschuhen. Welche Rolle spielt die Schweiz, und wie entwickelt sich das Ökosystem? Ein Interview mit Marian Krüger, Co-Founder & Managing Director von remove.
Auf welche Start-ups konzentriert ihr euch mit eurem Accelerator remove thematisch?
Wir haben uns mit «remove» auf Startups im Bereich Carbon Dioxide Removal fokussiert. Wir unterstützen also Gründerinnen und Gründer mit Technologien und Prozessen, die CO₂ aus der Atmosphäre entfernen und langfristig speichern können. Carbon Dioxide Removal ist unverzichtbar, da es auch in Zukunft schwer zu vermeidbare Emissionen geben wird, die wir durch aktive CO₂-Entfernung ausgleichen müssen und auch, um vergangene Emissionen zu kompensieren und langfristig die Atmosphäre zu stabilisieren. Im Bereich Carbon Dioxide Removal (CDR) gibt es ein breites Spektrum an Lösungen zur CO₂-Entfernung – von der Wiederherstellung von Ökosystemen über Biokohle bis hin zu Direct Air Capture, also grossflächigen CO₂-Filteranlagen.
Wir arbeiten vor allem mit frühphasigen Startups, teils direkt nach ihrer Gründung, zusammen. Durch unseren Fokus ziehen wir jedoch gelegentlich auch etabliertere Post-Series A-Startups an, die gezielt CDR-Expertise suchen. Mit ihnen geht es dann weniger um Fundraising-Basics, sondern um strategische Wachstumsfragen.
Wie kam es zu der Gründung? Warst du auch Initiator?
Ich habe zuvor das «Sustainability in Business Lab» an der ETH Zürich mitgeleitet und dort gemeinsam mit meinem Team sowie meinem Mitgründer aus den Niederlanden einen Carbon Removal Startup Accelerator initiiert – zunächst im Rahmen eines EU-Projekts. Nach dessen Abschluss haben wir den Accelerator in eine Non-Profit-Stiftung überführt, und so entstand «remove» als eigenständige Organisation. Heute sind wir mit unseren Programmen in Europa, Indien und Afrika aktiv.
Kannst du etwas genauer auf euer Funding, das Programm und die Community eingehen?
Unsere Startups erhalten eine Förderung in Form eines «recoverable grants» – einer nicht verwässernden («non-dilutive») Finanzierung. Das bedeutet, dass die Gründerinnen und Gründer keine Anteile an ihrem Unternehmen abgeben müssen. Besonders für CDR- und Deep-Tech-Startups ist das attraktiv, da sie für die Entwicklung ihrer Technologien erhebliche Kapitalvolumina benötigen und oft noch mehrere Finanzierungsrunden vor sich haben. Diese sind üblicherweise mit Verwässerung verbunden, das heisst, dass sie in jeder Runde weitere Anteile an Investorinnen und Investoren abgeben müssen.
Carbon Removal funktioniert grundlegend anders als klassisches Unternehmertum – selbst im Climate-Tech-Bereich. Hier entsteht ein Produkt, das die Weltgemeinschaft dringend benötigt, das aber für einzelne Corporates, also potenzielle Käuferinnen und Käufer, kein direktes, akutes Problem löst. Genau deshalb braucht es spezialisierte Expertise. Diese haben wir in den letzten vier Jahren mit über 150 Startups aufgebaut. Doch Expertise allein reicht nicht – das CDR-Ökosystem ist noch jung und kann nur wachsen, wenn es zusammenkommt. Deshalb haben wir eine CDR-Community geschaffen, sowohl digital über Slack als auch mittels Events in Europa, Indien und bald auch in Afrika.
Ihr habt diesen Monat eure «Europe Cohort 6» des Accelerator-Programms abgeschlossen. Was waren Learnings, die ihr für den nächsten «Batch» nutzen könnt?
Der Carbon Removal Markt ist aktuell eine grosse Herausforderung für CDR-Startups. Da wir uns in einem freiwilligen Markt befinden, sind Käuferinnen und Käufer für CDR-Credits rar – denn Unternehmen kommen letztlich auch ohne Credits aus. Gleichzeitig müssen Startups aber kommerzielle Traction nachweisen, um Investorinnen und Investoren für die nächste Finanzierungsrunde zu überzeugen. Dafür gibt mehrere Ansätze:
Startups können ihre Technologie direkt verkaufen oder lizenzieren, ohne sich ausschliesslich auf CDR zu fokussieren. Oder sie können mit grossen Unternehmen zusammenarbeiten, um CDR als Insetting-Methode zur Emissionsreduktion in Lieferketten zu nutzen. Wir haben zu diesem Thema mit der «BMW Foundation» und dem «sus.lab» der ETH auch einen Report veröffentlicht.
Unter den acht Startups war auch ein Schweizer Unternehmen dabei: REOCAL. Was macht das Start-up und wie haben sich die Gründer qualifiziert?
Recoal karbonisiert feuchte, nachhaltig beschaffte Biomasse und speichert das darin enthaltene CO₂ langfristig in einer kohleartigen Substanz. Diese wird anschliessend in unterirdischen Speicherstätten, etwa Kiesgruben, eingelagert. Während ihres Wachstums hat die Biomasse durch Photosynthese CO₂ aufgenommen, das durch die Karbonisierung in eine feste Form überführt und so dauerhaft der Atmosphäre entzogen wird. Dieser Ansatz ähnelt der bekannten CO₂-Entfernung durch Biokohle, verfolgt jedoch neue, innovative Ansätze – was wir bei «remove» besonders spannend finden. Für den gesamten CDR-Sektor ist es entscheidend, in den 2020ern möglichst viele unterschiedliche CO₂-Entfernungsmethoden zu testen und zu bewerten. Recoals Ansatz ist einer davon.
In eurer aktuellen, siebten «Cohort» ist kein Schweizer Startup dabei. Wie könnte die Schweizer Startup-Szene das bei nächster Gelegenheit ändern und wann geht es mit Nummer 8 los?
Die Schweiz hat alle Voraussetzungen, um eine führende Rolle im globalen Carbon-Removal-Ökosystem zu spielen – und tut es bereits. Mit starker Forschung an Institutionen wie der ETH Zürich und der EPFL, Unternehmen, die in der Abnahme von CDR-Credits Pionierarbeit leisten (z. B. Swiss Re), spezialisierten Investoren wie Carbon Removal Partners und Leuchtturm-Startups wie Climeworks und neustark gehört die Schweiz zu den wichtigsten Akteuren im CDR-Sektor.
Besonders Zürich ist längst ein globaler CDR-Hub. Deshalb mache ich mir keine Sorgen, dass in der nächsten Kohorte wieder Schweizer Teams dabei sein werden. Ebenso spannend ist es, die Entwicklung bestehender CDR-Startups zu beobachten. Ich halte es für durchaus wahrscheinlich, dass europäische CDR-Startups einen Umzug nach Zürich in Betracht ziehen – denn ein solches Ökosystem ist im CDR-Bereich einzigartig.
Der «Hype» um «Carbon Removal» hat viele Startups hervorgebracht. Mit über 800 CDR-Startups weltweit ist der Wettbewerb um Käufer enorm. Was bedeutet das für die langfristige Entwicklung des Marktes?
Der CDR-Sektor hat in den letzten Jahren von einem gerechtfertigten «Hype» profitiert. Weltweit gibt es, wie du sagst, inzwischen über 800 CDR-Startups, die alle um die Gunst einer verschwindend kleinen Zahl an Käuferinnen und Käufer konkurrieren. Dass nicht alle von ihnen überleben werden, ist selbstverständlich. Das Scheitern eines CDR-Startups sollte jedoch kein Versagen darstellen, sondern eine Chance, Lehren über diese CDR-Methode zu ziehen. Wir haben einfach keine Zeit, alle Fehler selbst zu machen.
Startups, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen – kurz CDR-Startups – entstehen weltweit, doch der Markt steckt noch in den Kinderschuhen. Welche Rolle spielt die Schweiz, und wie entwickelt sich das Ökosystem? Ein Interview mit Marian Krüger, Co-Founder & Managing Director von remove.
Auf welche Start-ups konzentriert ihr euch mit eurem Accelerator remove thematisch?
Wir haben uns mit «remove» auf Startups im Bereich Carbon Dioxide Removal fokussiert. Wir unterstützen also Gründerinnen und Gründer mit Technologien und Prozessen, die CO₂ aus der Atmosphäre entfernen und langfristig speichern können. Carbon Dioxide Removal ist unverzichtbar, da es auch in Zukunft schwer zu vermeidbare Emissionen geben wird, die wir durch aktive CO₂-Entfernung ausgleichen müssen und auch, um vergangene Emissionen zu kompensieren und langfristig die Atmosphäre zu stabilisieren. Im Bereich Carbon Dioxide Removal (CDR) gibt es ein breites Spektrum an Lösungen zur CO₂-Entfernung – von der Wiederherstellung von Ökosystemen über Biokohle bis hin zu Direct Air Capture, also grossflächigen CO₂-Filteranlagen.
Wir arbeiten vor allem mit frühphasigen Startups, teils direkt nach ihrer Gründung, zusammen. Durch unseren Fokus ziehen wir jedoch gelegentlich auch etabliertere Post-Series A-Startups an, die gezielt CDR-Expertise suchen. Mit ihnen geht es dann weniger um Fundraising-Basics, sondern um strategische Wachstumsfragen.
Wie kam es zu der Gründung? Warst du auch Initiator?
Ich habe zuvor das «Sustainability in Business Lab» an der ETH Zürich mitgeleitet und dort gemeinsam mit meinem Team sowie meinem Mitgründer aus den Niederlanden einen Carbon Removal Startup Accelerator initiiert – zunächst im Rahmen eines EU-Projekts. Nach dessen Abschluss haben wir den Accelerator in eine Non-Profit-Stiftung überführt, und so entstand «remove» als eigenständige Organisation. Heute sind wir mit unseren Programmen in Europa, Indien und Afrika aktiv.
Kannst du etwas genauer auf euer Funding, das Programm und die Community eingehen?
Unsere Startups erhalten eine Förderung in Form eines «recoverable grants» – einer nicht verwässernden («non-dilutive») Finanzierung. Das bedeutet, dass die Gründerinnen und Gründer keine Anteile an ihrem Unternehmen abgeben müssen. Besonders für CDR- und Deep-Tech-Startups ist das attraktiv, da sie für die Entwicklung ihrer Technologien erhebliche Kapitalvolumina benötigen und oft noch mehrere Finanzierungsrunden vor sich haben. Diese sind üblicherweise mit Verwässerung verbunden, das heisst, dass sie in jeder Runde weitere Anteile an Investorinnen und Investoren abgeben müssen.
Carbon Removal funktioniert grundlegend anders als klassisches Unternehmertum – selbst im Climate-Tech-Bereich. Hier entsteht ein Produkt, das die Weltgemeinschaft dringend benötigt, das aber für einzelne Corporates, also potenzielle Käuferinnen und Käufer, kein direktes, akutes Problem löst. Genau deshalb braucht es spezialisierte Expertise. Diese haben wir in den letzten vier Jahren mit über 150 Startups aufgebaut. Doch Expertise allein reicht nicht – das CDR-Ökosystem ist noch jung und kann nur wachsen, wenn es zusammenkommt. Deshalb haben wir eine CDR-Community geschaffen, sowohl digital über Slack als auch mittels Events in Europa, Indien und bald auch in Afrika.
Ihr habt diesen Monat eure «Europe Cohort 6» des Accelerator-Programms abgeschlossen. Was waren Learnings, die ihr für den nächsten «Batch» nutzen könnt?
Der Carbon Removal Markt ist aktuell eine grosse Herausforderung für CDR-Startups. Da wir uns in einem freiwilligen Markt befinden, sind Käuferinnen und Käufer für CDR-Credits rar – denn Unternehmen kommen letztlich auch ohne Credits aus. Gleichzeitig müssen Startups aber kommerzielle Traction nachweisen, um Investorinnen und Investoren für die nächste Finanzierungsrunde zu überzeugen. Dafür gibt mehrere Ansätze:
Startups können ihre Technologie direkt verkaufen oder lizenzieren, ohne sich ausschliesslich auf CDR zu fokussieren. Oder sie können mit grossen Unternehmen zusammenarbeiten, um CDR als Insetting-Methode zur Emissionsreduktion in Lieferketten zu nutzen. Wir haben zu diesem Thema mit der «BMW Foundation» und dem «sus.lab» der ETH auch einen Report veröffentlicht.
Unter den acht Startups war auch ein Schweizer Unternehmen dabei: REOCAL. Was macht das Start-up und wie haben sich die Gründer qualifiziert?
Recoal karbonisiert feuchte, nachhaltig beschaffte Biomasse und speichert das darin enthaltene CO₂ langfristig in einer kohleartigen Substanz. Diese wird anschliessend in unterirdischen Speicherstätten, etwa Kiesgruben, eingelagert. Während ihres Wachstums hat die Biomasse durch Photosynthese CO₂ aufgenommen, das durch die Karbonisierung in eine feste Form überführt und so dauerhaft der Atmosphäre entzogen wird. Dieser Ansatz ähnelt der bekannten CO₂-Entfernung durch Biokohle, verfolgt jedoch neue, innovative Ansätze – was wir bei «remove» besonders spannend finden. Für den gesamten CDR-Sektor ist es entscheidend, in den 2020ern möglichst viele unterschiedliche CO₂-Entfernungsmethoden zu testen und zu bewerten. Recoals Ansatz ist einer davon.
In eurer aktuellen, siebten «Cohort» ist kein Schweizer Startup dabei. Wie könnte die Schweizer Startup-Szene das bei nächster Gelegenheit ändern und wann geht es mit Nummer 8 los?
Die Schweiz hat alle Voraussetzungen, um eine führende Rolle im globalen Carbon-Removal-Ökosystem zu spielen – und tut es bereits. Mit starker Forschung an Institutionen wie der ETH Zürich und der EPFL, Unternehmen, die in der Abnahme von CDR-Credits Pionierarbeit leisten (z. B. Swiss Re), spezialisierten Investoren wie Carbon Removal Partners und Leuchtturm-Startups wie Climeworks und neustark gehört die Schweiz zu den wichtigsten Akteuren im CDR-Sektor.
Besonders Zürich ist längst ein globaler CDR-Hub. Deshalb mache ich mir keine Sorgen, dass in der nächsten Kohorte wieder Schweizer Teams dabei sein werden. Ebenso spannend ist es, die Entwicklung bestehender CDR-Startups zu beobachten. Ich halte es für durchaus wahrscheinlich, dass europäische CDR-Startups einen Umzug nach Zürich in Betracht ziehen – denn ein solches Ökosystem ist im CDR-Bereich einzigartig.
Der «Hype» um «Carbon Removal» hat viele Startups hervorgebracht. Mit über 800 CDR-Startups weltweit ist der Wettbewerb um Käufer enorm. Was bedeutet das für die langfristige Entwicklung des Marktes?
Der CDR-Sektor hat in den letzten Jahren von einem gerechtfertigten «Hype» profitiert. Weltweit gibt es, wie du sagst, inzwischen über 800 CDR-Startups, die alle um die Gunst einer verschwindend kleinen Zahl an Käuferinnen und Käufer konkurrieren. Dass nicht alle von ihnen überleben werden, ist selbstverständlich. Das Scheitern eines CDR-Startups sollte jedoch kein Versagen darstellen, sondern eine Chance, Lehren über diese CDR-Methode zu ziehen. Wir haben einfach keine Zeit, alle Fehler selbst zu machen.